Philosophy Weiß, Konrad: Der christliche Epimetheus [german]. V1. 4.1.2019

[wilfriedk]

Der christliche Epimetheus ist ein Versuch, die Tagespolitik in der Zeit vor und während Hitlers Machtübernahme im Lichte der Geschichtsphilosophie oder besser Geschichtstheologie von Konrad Weiß zu betrachten, und als solcher eine höchst eigenartige Mischung aus politischem Tagebuch, politischem Essay (unter konservativem Vorzeichen) und geschichtsphilosophischer Spekulation (unter christlichem Vorzeichen). Unter den schwierigen Büchern von Konrad Weiß ist es wahrscheinlich das schwierigste. Man kann es als abseitig, ja abstrus abtun; man kann sich aber auch von dem tiefen Ernst, aus dem heraus es, wie alles von Weiß, geschrieben wurde, und von der gedanklichen Tiefe beeindrucken lassen und daran sein eigenes Denken, ablehnend, abwägend oder zustimmend, zu schärfen, zu klären, zu bereichern versuchen.

Teil 1, die Konzepte eines Katholiken in der Hindenburg-Wahl, sind in Tagebuchform gehaltene Reflexionen über die politischen Ereignisse vor und während der Reichspräsidentenwahl im März und April 1932. Teil 2, Sinn außer der Mitte, behandelt die Ereignisse nach der Präsidentenwahl bis zur Reichstagswahl im März 1933 in Traktatform und im Spiegel von Weißens sehr persönlicher Geschichtsphilosophie. Teil 3 schließlich, Der deutsche christliche Epimetheus überschrieben, ist eine Darlegung dieser sehr spekulativen, theologisch geprägten Geschichtsphilosophie, der als ein Hauptgedanke die Überzeugung von Weiß zugrundeliegt, daß der Mensch ein Mangelwesen ist und die menschliche Geschichte einem göttlichen Plan folgt.

Der christliche Epimetheus erschien im April 1933. Im Marbacher Magazin 15 zum 100. Geburtstag von Konrad Weiß wird (Seite 16) angemerkt, leider ohne Quellenangabe, daß "in den Tagen des Röhm-Putsches", also Ende Juni / Anfang Juli 1934, "Weiß sich bedroht" gefühlt habe: "er fürchtet, man könnte seinen politischen Traktat »Der christliche Epimetheus« gelesen (und verstanden) haben." Vermutlich hat er mit dieser Befürchtung die geistigen Fähigkeiten der Nazis überschätzt.

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Konrad Weiß lebte von 1880 bis 1940. Er studierte zunächst Theologie, brach das Studium aber ab, als er feststellte, daß er nicht Kleriker werden könne. Von Beginn seines Studiums an belegte er auch Vorlesungen in Kunstgeschichte, Geschichte und Literatur. Im Brotberuf war er Redakteur in recht subalterner Stellung, zuerst ab 1905 bei der Zeitschrift Hochland, dann ab 1920 bei den Münchner Neuesten Nachrichten. Bei beiden war er für den Bereich Bildende Kunst zuständig. Er wurde erst spät zum Dichter: sein erstes Gedicht entstand im Jahr 1914. Er machte nie Karriere und wurde als Dichter, obwohl in bestimmten künstlerischen Kreisen und von manchen Dichterkollegen wie Hofmannsthal, Borchardt oder Loerke hochgeschätzt, weder zu Lebzeiten noch danach einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.

Wer sich näher über Konrad Weiß informieren möchte, findet die detailliertesten und verlässlichsten Informationen im Marbacher Magazin 15, das 1980 zum hundertsten Geburtstag von Konrad Weiß erschien, und dessen dritte Auflage von 2001 noch erhältlich ist.

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