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brucewelch
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Schücking, Levin: Die Ritterbürtigen. V1 [German] 2.12.2021

Als 1846 der Roman "Die Ritterbürtigen" (3 Bde, 323, 282 & 316 Seiten) von Levin Schücking erschien, erregte er "infolge seiner Wirklichkeitsnähe und Ungeschminktheit in den betroffenen Adelskreisen unangenehmes Aufsehen […], (was die als Materialzuträgerin verdächtigte [Annette von] Droste[-Hülshoff] zu entgelten hatte)" (Ernst Alker, Die dt. Lit. im 19. Jh. 1962, S. 346). Der fast zwei Jahrzehnte jüngere Schücking war jahrelang mit der bedeutenden westfälischen Dichterin befreundet; später gab er ihre Werke heraus, verfasste eine erste Biographie über sie und setzte sich für ihr literarisches Werk ein. Laut Wikipedia hat er freilich in dem vorliegenden Roman mit der Figur der intriganten Stiftsdame Allgunde Gräfin von Quernheim ein bewusst karikierendes Bild von ihr gezeichnet, was zum endgültigen Bruch der Freundin mit ihrem literarischen Ziehsohn geführt haben soll.

Spoiler:
"Ich bin keine Blume und ich will für dich keine sein! Hörst du? kein Gebilde der Romantik und der Poesie will ich für dich sein, für das du schwärmst, das du anbetest, das du vergötterst, das du trunken mit allen Reizen umkleidest, welche ein Rausch der Phantasie aufzutreiben weiß!" (II, 177) sagt Theo, die weibliche Hauptfigur, zu Valerian. So viel vormärzliches Jungdeutschland muss sein in diesem Roman, in dem es - dem Titel entsprechend - vorwiegend um eine zeitgemäße Bestimmung der gesellschaftlichen Rolle des Adels geht; dessen Denkweise spiegelt sich leider zu oft noch immer in Sprüchen wie diesem:
"Wir Männer sind ja eigentlich nur dazu da, als Fideicommißträger unser Gut und unsern Titel unversehrt auf den nächsten Nachkommen zu überliefern, und die Frauen sind nur dazu da, für die Existenz dieser Nachkommen zu sorgen. Das ist die nächste und erste Bestimmung des Edelmanns und der Edelfrau und dieser müssen wir uns fügen. (...) Wenn ihr Mann sie mishandelt — nun, so muß sie sich einmal mishandeln lassen. Dafür ist er ihr Mann!" (II, 181f.)
Die Handlung des Romans erweckt in der Tat den Anschein, dass sich im Adel der 1830er Jahre eine erkleckliche Zahl von rückständigen, rohen und gewissenlosen Kretins mit zum Teil verbrecherischer Energie tummelt; Schücking spart zudem auch nicht mit Kritik an den Grundfesten des Bündnisses von Thron und Altar im postrevolutionären Absolutismus der Restaurationsära, ebensowenig am doktrinären ultramontanen Katholizismus. - Antipode hierzu ist der gebildete und unerschrockene Valerian Graf Schlettendorf, die männliche Hauptfigur, mit seinen zukunftsorientierten, volksfreundlichen Anschauungen: inmitten seines Standes ein wahrer Lichtblick, auch wenn er einer "reinen Demokratie" ungewogen bleibt. - Die großen Zeitfragen werden also recht kontrovers diskutiert in diesem Roman, was neben seiner frührealistischen Diktion seine Qualität ausmacht.
All das ist in eine abenteuerliche Handlung mit kriminalistischen Elementen verwoben, wie dies Schücking in seinen Werken oft mit geschickter Hand gelingt.

Das auf GoogleBooksKorrekturlesung fußende eBook giebt die Erstausgabe in der originalen Orthographie wieder; die Seitenziffern sind bandweise versteckt im html-Code enthalten (zur Sichtbarmachung ggf. PN oder eMail). Beim Cover handelt es sich um eine anonyme Lithographie von Schloß Brüninghaus (nach 1857) aus der ›Sammlung Duncker‹.
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