Other Fiction Spielhagen, Friedrich: Sonntagskind. V2 [German] 22.2.2018

[brucewelch]

Wie kann der einzelne gesund sein,
so lange die Verhältnisse ungesund sind?

... so fragt sich die Hauptfigur Justus Arnold, das "Sonntagskind", im vierten Buch des Romans.

Es ist die "soziale Frage", auf die Friedrich Spielhagen in diesem Künstler- und Liebesroman von 1893 reagiert. Literarisch hatte der Naturalismus sie in Deutschland ab 1889 aufgegriffen, war aber über Zustandsbeschreibungen des Elends selbst selten hinausgekommen. Der Druck der jungen Naturalisten auf die ältere Schriftsteller-Generation wird in diesem Werk allenthalben spürbar; der Roman ist auch eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie Literatur die soziale Problematik angehen könne. Spielhagen, der sich von seinem literarischen Idealismus ebensowenig wie Paul Heyse trennen mochte, nähert sich dabei der Grundaussage von dessen Roman "Merlin" (1892) im Verlauf zunehmend an.
Interessant ist "Sonntagskind" in jedem Fall wegen seiner Bilder aus einer verschollenen Welt: der Papierproduktion in Westpreußen an der russisch-polnischen Grenze (Polen ist damals bis 1918 Teil Russlands), die im Besitz eines Grafen ist, der aber lediglich materiellen Gewinn aus ihr zieht, indem er zugleich seine Wälder als Rohstoff zur Verfügung stellt - Szenen also mit polnischen Arbeitskräften, Streik, Grenzschmuggel, dörflichem Elend, Alkoholismus, erotischen Eskapaden - später dann Bankfallissements, sogar staatlicher Literaturzensur, und natürlich Krankheit und Tod: alles, was der Naturalismus ebenso als Zutaten liebte - hier freilich eingebunden in eine idealistische Konzeption.

Text-Gewinnung mittels Google-Books-Korrektur-Lesung.
Zugrunde lag die dritte (gegenüber der ersten unveränderte) Auflage (1893, 3 Bände, insges. 863 Seiten), die in Orthographie und Interpunktion getreu reproduziert wurde. Evidente Druckfehler sind stillschweigend korrigiert.

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