Spinnis kleines Klassenzimmer

[doubleshuffle]

Naja, schwer zu verstehen fand ich die Stelle auch nicht, weshalb ich wahrscheinlich wohl auch den tatsächlich vorhandenen Fehler überlesen habe.

Spinni allerdings fragt hier nicht, weil er ein Jungspund, sondern weil Deutsch nicht seine Muttersprache ist.

[pynch]

In der Ausgabe von 1873 steht tatsächlich »erworben«, die von 1963, aus der Spinni zitiert (Poetische Werke in sechs Bänden, Berlin 1963), habe ich leider nicht zur Hand um nachzugucken. Kann da jemand aushelfen?

[Doitsu]

Originally Posted by pynch

In der Ausgabe von 1873 steht tatsächlich »erworben«, die von 1963, aus der Spinni zitiert (Poetische Werke in sechs Bänden, Berlin 1963), habe ich leider nicht zur Hand um nachzugucken. Kann da jemand aushelfen?

Das ist wahrscheinlich ein Druckfehler. In der Ausgabe von 1819 steht jedenfalls "erwarben".

Theoretisch wäre "erworben" auch möglich, wenn man den Satz als Ellipse auffasst:

[...] geschmückt mit den Ehrenzeichen, die ihm seine unbegrenzte Tapferkeit erworben [hat]

[Spinnenmonat]

Vielen Dank! Liebe Kollegen. Ich verstehe einfach "erwarben" in diesem Satz als "erworben".

[brucewelch]

Originally Posted by Doitsu

Das ist wahrscheinlich ein Druckfehler. In der Ausgabe von 1819 steht jedenfalls "erwarben".

Ihr habt da etwas Erstaunliches gefunden, das anscheinend noch keinem der wissenschaftlichen Herausgeber von Hoffmanns Werken aufgefallen ist. Auch die Reclamausgabe und die im Insel-Verlag haben "warben". Die 1960 bei Winkler, München, erschienene, lange Zeit maßgebliche Ausgabe hat diesen Druckfehler ebenfalls übersehen; diese Edition beruht auf den Erstdrucken und hat die Ausgaben von Maassen und Ellinger hinzugezogen, die ihrerseits ebenfalls auf die Erstausgaben zurückgreifen. Eine innere Textkritik hat aber keiner der Herren vorgenommen. - Ich kann mir übrigens denken, dass es Hoffmann beim Schreiben genauso gegangen sein könnte wie faltradl ... beim Lesen.

[Spinnenmonat]

Lebens-Ansichten des Katers Murr habe ich schon fertig gelesen. Wunderbares Buch! Schade, dass es nicht vollendet ist.

[brucewelch]

Darf es noch etwas mehr ETA Hoffmann sein? Dann wären noch sehr zu empfehlen die wunderbaren, humorvollen Kunstmärchen: Der goldene Topf, Prinzessin Brambilla, Klein Zaches und Meister Floh - die würden Dir bestimmt gefallen!

[Spinnenmonat]

Originally Posted by brucewelch

Darf es noch etwas mehr ETA Hoffmann sein? Dann wären noch sehr zu empfehlen die wunderbaren, humorvollen Kunstmärchen: Der goldene Topf, Prinzessin Brambilla, Klein Zaches und Meister Floh - die würden Dir bestimmt gefallen!

"Der goldene Topf" habe ich schon gelesen. Der ist sicher sehr beeindruckend. Ich kann mich noch an viele Dinge dieser Erzählung erinnern. Aber ich war von dem nicht so berührt wie von dem süßen Murr. Die Bildungsgeschichte von Murr ist sowohl interessant als auch lehrreich. Außer der berührenden Geschichte hat Murr auch eine außergewöhnliche Struktur, in der das Leben von zwei Figuren, die von einander in Bezug auf den Geist und Erfahrungen nicht so sehr getrennt sind, vereinigt ist.

Die Prinzessin, Zachs und Flor werde ich bald lesen.

[Spinnenmonat]

Wieder eine kleine Bitte um Hilfe, liebe Kollegen.

Meister Floh "Peregrinus befand sich in einer dunklen Kammer, die neben dem Prunkzimmer belegen, wo ihm der Heilige Christ einbeschert zu werden pflegte. "

1. Wieso "belegen" hier? Gibt es ein solches Wort wie "beliegen"?
2. Was bedeutet "einbescheren"?

[Doitsu]

Originally Posted by Spinnenmonat

Meister Floh "Peregrinus befand sich in einer dunklen Kammer, die neben dem Prunkzimmer belegen, wo ihm der Heilige Christ einbeschert zu werden pflegte. "

Die spezielle Bedeutung der beiden Wörter in diesem Kontext dürfte auch für Muttersprachler nicht unbedingt einfach sein.
Soweit ich weiß ist "einbescheren" eine veraltete Nebenform des transitiven Verbs "bescheren" = die Bescherung am Weihnachtsabend durchführen.

Bei "belegen" dachte ich zuerst, dass es ein Druckfehler ist und "gelegen" heißen muss, aber in mehreren Faksimile-Ausgaben steht das genauso.
Entweder ist es:

a) tatsächlich ein Druckfehler,
b) ETA Hoffmann hat belegen im Sinne von gelegen verwendet,
c) ETA Hoffmann hat belegen im Sinne von "einen Raum belegen/in Beschlag nehmen/beanspruchen" usw. verwendet.

Vielleicht haben ja die anderen "usual suspects" noch plausiblere Interpretationen.

[beachwanderer]

Belegen ist gelegen.
Und wie so häufig hat sich in der Jurisprudenz der Gebrauch dieser alten Form erhalten.

Vgl. als ein Beispiel den § 24 Abs.1 der bundesdeutschen ZPO (Zivilprozessordnung)

§ 24 Ausschließlicher dinglicher Gerichtsstand

(1) Für Klagen, durch die das Eigentum, eine dingliche Belastung oder die Freiheit von einer solchen geltend gemacht wird, für Grenzscheidungs-, Teilungs- und Besitzklagen ist, sofern es sich um unbewegliche Sachen handelt, das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die Sache belegen ist. (Hervorhebung von mir.)

Einbeschert ist schick, hier in Norddeutschland aber wohl in keinem Winkel (mehr?) gebräuchlich.

[brucewelch]

Richtig, Strandwanderer! Dass ETA Hoffmann "belegen" statt "gelegen" wählte, hat schließlich auch damit zu tun, das dieser Mann, außer dass er Dichter, Kapellmeister, Komponist, bildender Künstler und Musikkritiker war, seinen Lebensunterhalt eben als preußischer Kammergerichtsrat verdiente - auch Goethe war ein lizenzierter Mann des Rechts, sage noch einmal einer etwas gegen Juristendeutsch... - Sein Beruf muss Hoffmann in Ära der Restauration mit "Demagogen"verfolgung, Berufsverboten, Bespitzelungen aller Art recht sauer geworden sein. Die Knarrpanti-Episode im "Meister Floh", die von der Zensur damals gestrichen wurde, ist eine literarische Frucht davon. - Schön, Spinni, dass Du Dir diesen wundervollen Text vorgenommen hast!

[Spinnenmonat]

Danke sehr, liebe Kollegen.
In meinen Wörterbuch habe ich "belegen" als ein veraltetes Adjektiv gefunden. Es bedeutet genau "gelegen". Danke!

Ich verstehe immer noch nicht, wie kann jemandem ein heiliger Christ einbeschert werden?

[Doitsu]

Originally Posted by Spinnenmonat

Ich verstehe immer noch nicht, wie kann jemandem ein heiliger Christ einbeschert werden?

Gemeint ist die Bescherung am Weihnachtsabend (heiliger Geist = Christkind).

[brucewelch]

"Der Heilige Christ" ist hier zu übersetzen als "die Geschenke zum Weihnachtsfest"; Christus als Person steht hier für das mit ihm in Beziehung stehende Kirchenfest und einen damit verbundenen Brauch - rhetorisch betrachtet eine sogenannte "Metonymie", so wie wenn man sagt: "Er trank fünf Glas" - er hat aber natürlich den Inhalt getrunken, was er ohne den Behälter allerdings nicht gekonnt hätte - ebensowenig, wie man Weihnachten ohne Christus feiern könnte.
Wie Du siehst, findet die Metonymie als Sprachbild im Alltag noch heute durchaus Verwendung; die von Hoffmann gebrauchte Form ist selbstverständlich zeitgebunden und heute nicht mehr anwendbar.