Mystery and Crime Kabel, Walther: Harald Harst (252) - Die Hexe von Malvetta. V1.0 [German] 06.12.2024

[Zentaurus]

Die Hexe von Malvetta

Buid Jasper schaute melancholisch den Wölkchen seiner Zigarette nach.

»… Ich komme nun zu dem eigentlichen Zweck meiner Europareise, Mr. Harst. Ich habe noch zwei Jahre zu leben, also bin im achtundzwanzig. Mein Bruder Harry starb im Vorjahre, meine Schwester Doris vor zwei Jahren. Sie wurden beide genau dreißig Jahre und einige Tage alt. Älter wurde keiner von uns, wie ich schon betonte. Als ich vor drei Monaten meine Plantage bei dem Städtchen Malvetta am Ostrande der Thar-Wüste verließ, folgte ich dem Zuge meines Herzens. Ich hatte in Bombay eine junge Deutsche unter eigentümlichen Umständen kennen gelernt und mich mit ihr verlobt. Sie hieß Gerda Gandel und war Korrespondentin bei der Bombayer Firma Sheffield. Zwei Tage nach unserer Verlobung verschwand sie.«

Der Stein des Anstoßes

Es ist nicht so einfach, immer einen passenden Titel zu finden. Ich habe fast eine ganze Brasil geraucht und zerkaut, bevor ich auf »den Stein des Anstoßes« kam. Man will doch schließlich wenigstens etwas eigenartig sein!

Dieser Stein, meine lieben Leser und Freunde, liegt in einer Höhle in den Malvetta-Bergen … Die Höhle war die Wohnung der Hexe von Malvetta. — Unseren Begriff »Hexe« kennen die Inder nicht. Die Ratschputensprache bezeichnet mit »Imabrassa« zwar etwas Ähnliches — eine Besessene, eine Frau, deren Geist durch allzu tiefes Versenken in die Lehre Bramahs allem Weltlichen entfremdet und daher fähig ist, Wahrsagerin zu spielen. Bei uns sagt man heutzutage Hellseherin. Immerhin haftet auch der Imabrassa etwas Dämonisches an. Sie wird gefürchtet, sie besitzt die Gabe des bösen Blicks und gleichzeitig auch die wohltätige Kunst, Krankheiten zu heilen. Noch vor fünfzig Jahren, als gerade das ungeheure Gebiet von Ratschputanien dem Verkehr kaum erschlossen war, spielten die Imabrassi in jedem Städtchen, Dorfe und in jeder Siedlung die Rolle der unsichtbaren Obrigkeit. Ihr Einfluß war größer, als der der indischen Kolonialbeamten.

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