Historical Fiction Wenden, Henry: Tropenkoller. V2. [German] 27.12.2015

[Leonatus]

Der Verfasser hat es bis heute nicht zu einem Eintrag bei Wikipedia geschafft. Die persönlichen Daten sind mir im Einzelnen unbekannt. Aus Brümmer, Franz: Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Bd. 7. 6. Aufl. Leipzig, 1913, geht folgender Eintrag hervor: "Wechselmann, H. J. H., pseud. Henry Wenden, wurde am 11.April 1865 in Berlin als Sohn eines Kaufmanns geboren, erhielt dort seine Gymnasialbildung und hörte an der Universität daselbst als Hospitant Vorlesungen über Philosophie, Literatur, Kunst- und Kulturgeschichte. Dann unternahm er große Reisen nach Frankreich, Belgien, England, Dänemark, der Schweiz, lebte ein Jahr lang in Italien (Rom, Venedig) und seit 1891 in Neuyork, wo er als Journalist tätig war. Nach Europa 1896 zurückgekehrt, nahm er seinen Wohnsitz in Wien und begann hier seine Tätigkeit als Roman- und dramatischer Schriftsteller. Seit 1905 lebte er in München, später in Capri bei Neapel und jetzt in Berlin."

Dass der Verfasser in der Zwischenzeit in einer die Gemeinfreiheit seiner Werke begründenden Weise verstorben ist, ist anzunehmen.

Bei "Tropenkoller" handelt es sich um einen Roman aus der Kaiserzeit über die deutschen Kolonien, hier in Afrika. Er beschreibt die verhängnisvolle Wandlung des Protagonisten zu einem skrupellosen Machtmenschen infolge der in den Tropen herrschenden besonderen Lebensbedingungen.

Dem Verfasser gelingt es zu keiner Zeit, den Veränderungsprozess in der Psyche des Protagonisten wirklich zwingend zu schildern; es fehlt ihm dazu an Einfühlungsvermögen. In der Konzeption kann sich der Verfasser nicht recht entscheiden: Soll er eine abartige Charakteranlage bei voller persönlicher Verantwortlichkeit oder aber einen psychischen Erkrankungsprozess schildern (der dem Protagonisten – auch schon im Jahr 1904 – wenigstens eine Entschuldigung im strafrechtlichen Sinn verschaffen könnte, damals Unzurechnungsfähigkeit genannt). Der Verfasser ist daher zu Recht zu keinem nachhaltigen Ansehen gelangt.

Lesenswert ist der Roman, weil er
- einen Einblick in die (militärische) Kolonialverwaltung gewährt,
- das gesellschaftliche Leben in den Kolonien beschreibt,
- die politischen Streitfragen zur deutschen Kolonialpolitik anspricht und weil er
- bis zum Schluss spannend aufgebaut ist.

Interessant ist, dass Wörter wie "Neger", ja sogar "Nigger", damals offenbar in keiner Weise offensiv gebraucht wurden (wenn man das allgemein herrschende Überlegenheitsgefühl der weißen Rasse in Rechnung stellt); ferner die durchaus empfundene Verantwortlichkeit für die einheimische Bevölkerung (ohne ihr Mitspracherechte zu gewähren), die durchaus vorhandene emotionale Verbundenheit mit Land und Leuten, und schließlich die rationale Auseinandersetzung mit der Frage des Nutzens der Kolonien.

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