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Originally Posted by hamlok
Enid Blytons 5 Freunde waren für mich ja so ein Einstieg ins eigene Lesen, ich muss aber sagen, dass ich mir als Kind sehr viel dazu fantasiert habe, heute kommen sie mir inhaltlich doch sehr dünn vor. Mir war auch nie aufgefallen, dass die Kinder eigentlich immer vernachlässigt durch die Eltern waren. Das ist da heutzutage keine Warnungen vom Verlag zu gibt. 
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Behütete Kinder erleben halt nicht viel.

Warnhinweise zu Enid Blyton gibt es in den Social Media mehr als genug. An ihren Büchern ist ja heutzutage so gut wie nichts mehr politisch korrekt. Bei den Internatsgeschichten (die nun mal in den 1940er Jahren geschrieben wurden) sind alle total versnobt und hochnäsig, bei den Abenteuergeschichten dürfen die Kids unrealistisch viel alleine machen. Das kann man heutzutage kein Kind mehr allein lesen lassen.

Höchstens noch zusammen mit Mama, die dann erklärt, was alles nicht geht und total unrealistisch ist...
Im Endeffekt hast du natürlich recht, Tiefgang darf man von diesen Geschichten nicht erwarten. Wobei es doch sehr viele gibt, die in Erinnerung an die Lesestunden ihrer Kindheit nach wie vor fünf Sterne vergeben, anders kann ich mir die hohen Bewertungen bei Goodreads nicht wirklich erklären.
Ich habe diese Woche (wieder einmal) zwei Rereads und ein Hörspiel anzubieten. Fangen wir mit dem Hörspiel an:
Jochanan Shelliem: Begegnung mit einem Mörder: Die vielen Gesichter des Adolf Eichmann ***
Erwartungsgemäß war das nicht sonderlich erbaulich. Das Feature habe ich in unserer Onleihe gefunden und dachte, es passt ganz gut zum Thema Drittes Reich. Erwartungsgemäß war es wenig erbaulich, was soll man schon zu einem Massenmörder sagen, der nicht die geringste Reue empfindet? Man kann hier Originalmitschnitte der Polizeiverhöre hören, so gesehen war es etwas sperrig und wie gesagt nicht sonderlich erbaulich, mehr wie "Hausaufgaben machen". Ich habe es auch nicht an einem Stück gehört, das kann man sich in diesem Fall kaum antun.
Ebenfalls zum Thema passte Andreas Eschbachs alternative Geschichte des 3. Reichs,
NSA - Nationales Sicherheitsamt. Dieses Buch hatte ich beim Erscheinen 2018 als Papierausgabe gelesen, weil mir damals die Hörprobe nicht gefallen hat. Nun habe ich mir doch das Hörbuch bei Audible besorgt und fand die Sprecherin eigentlich recht angenehm und kompetent. Der Ausgangspunkt für diese Geschichte ist ein Gedankenspiel, nämlich was gewesen wäre, wenn Charles Babbage seine Differenzmaschine gebaut und weiterentwickelt hätte und man in den 1930er Jahren bereits über moderne Computer und eine Art Internet (hier "Weltnetz" genannt) verfügt hätte. Orwells 1984 in einer anderen, absolut vorstellbaren Variante. Ich mochte die Protagonistin Helene wieder sehr, eine intelligente Programmstrickerin, der nach und nach klar wird, wofür man die Technik, mit der sie ihren Lebensunterhalt verdient, u. a. auch benutzen kann. Hitlers Hofstaat ist natürlich auch zugegen, hält sich aber die meiste Zeit eher im Hintergrund. Mir hat das Buch auch beim zweiten Durchgang richtig gut gefallen.
Außerdem habe ich Connie Willis'
Passage beendet, eines ihrer kontroverseren Bücher, das mir persönlich aber sehr gut gefällt, was vor allem an den Figuren liegt. Das Thema ist nicht jedermanns Sache, die Protagonistin Joanna Lander befasst sich nämlich mit der Erforschung von Nahtoderfahrungen, jedoch von der wissenschaftlichen Seite her. Zur Auflockerung dieses möglicherweise etwas morbide anmutenden Forschungsgebietes muss sie sich gegen ihren "Kollegen" Dr. Mandrake wehren, der von der esoterischen Fraktion ist und an Engel und das Licht am Ende des Tunnels glaubt und natürlich schon einen entsprechenden Bestseller geschrieben hat. Außerdem spielt ein neunjähriges, herzkrankes Mädchen eine große Rolle, das von Katastrophen jeder Art geradezu fasziniert ist.
Nach zwei Dritteln des Romans erlebt der Leser einen Bruch, der so nicht zu erwarten war und sicher einige abschrecken dürfte. Man ist manchmal schon hin- und hergerissen, ob man lachen oder weinen soll, aber zumindest mich lässt die Geschichte nie gleichgültig, auch diesmal nicht. Vielleicht muss man die Autorin mit all ihren Facetten mögen, um auch dieses Buch zu lieben, aber ich finde, es ist definitiv eines ihrer besseren.