Arno Schmidt, der Gewährsmann für interessante Wiederentdeckungen, war freilich bei seinen Exhumierungen keineswegs ohne Fehl und Makel; dies hatte schon früh die abwegige Überbewertung von Fouqué bewiesen, dem er eine umfangreiche Biographie widmete. Bei des Bargfelders Reanimationen spielte auch immer wieder die Bewunderung für große Schaffenskraft, die sich in der Produktion zahlreicher Bände äußerte, eine nicht unerhebliche Rolle. Dies war bei Spindler ein unleugbarer Befund (die Werk-Ausgabe von 1854/56 umfasst 101 Bände!). Hinzu kommt Schmidts Freude am Widerspruch. Spindler galt (und gilt) in der zünftigen Literaturwissenschaft als Trivialist; so rechnet Friedrich Sengle ihn in seiner gigantischen "Biedermeierzeit" entschieden zur bloßen Unterhaltungsliteratur. Schmidt geht es in seinem "Dialog" nun darum, Spindlers Beitrag zum historischen Roman aufzuwerten. In diesem Zusammenhang behandelt er "Putsch & Comp." als Prototyp des zeitgeschichtlichen Romans.
Bei einem nachrevolutionären Werk über die 48er Jahre lautet natürlich die Kardinalfrage: Wie steht der Autor selbst zu dieser Revolution? Schmidts Antwort: "halbrechts". Und seine eigene Sicht ist von Zustimmung zu Spindlers Auffassung getragen. Man darf nicht vergessen, dass der späte Schmidt, seit den nach68er Jahren, selbst eine konservativere Einstellung kultivierte.
Die Wahrheit ist: Die Sicht dieses Werkes auf die 48er Revolution ist schlicht reaktionär. Zwar legt der Autor der Figur des Alfred, der den kühlsten Kopf von allen besitzt, in den Mund: "Darum ist auch nicht Alles vom Uebel, was die sogenannten Freiheitsmänner predigen, und erfüllen wird sich einst von ihren Lehren alles das, was gut, was praktisch, was nothwendig." (III,40) Der Roman als Ganzes aber, der das revolutionäre Geschehen höchst fragwürdig in eine äußerst banale Lustspiel-Handlung einbettet (schließlich wird die Revolution selbst als bloße Komödie betrachtet!), macht die 48er und ihr Handeln überwiegend geradezu lächerlich (bereits der inadäquate Titel verdeutlicht das; in der erzählerischen Darstellung gelingt Spindler dies, indem er das Allzumenschliche, das notwendig jeglicher Revolution anhaftet, in den Vordergrund holt), oder er stellt es sogar als unehrenhaft hin (aufschlussreich z.B. die Begegnung zwischen Spiegler und seiner Mutter, Bd.1., S.195ff.; die Figuren des Wurstinger, des Melchior, des Titus, auch des Kaspar Flamm u.s.w.). Von Spindler, der in der Restaurationszeit ausschließlich vom wachsenden literarischen Unterhaltungsbedürfnis profitiert hatte und dabei von keinerlei politischem Interesse beseelt gewesen war, konnte nach der gescheiterten 48er Revolution kaum etwas anderes erwartet werden als jene Haltung des Immer-schon-gewusst-Habens; und richtig sind die Werte, die dieser Roman an das Geschehen heranträgt, immer noch die der Restaurationsära, die so - wenn auch nicht ganz ohne Selbstironie - in ein nachgerade nostalgisches Licht getaucht scheint. Da mögen Spindler die Genre-Szenen dieses Schwarzwald-Romans (denn das ist er auch) recht überzeugend gelungen sein: ein exemplarischer Zeitroman der 48er Jahre ist er mitnichten. -
Seine Lektüre lohnt sich trotzdem, und zwar nicht nur wegen der typisch "halbrechten", will sagen: reaktionären Rückschau, sondern auch als kulturgeschichtlicher Bilderbogen dieser Jahre aus der Sicht der Betroffenen, nicht zuletzt aber im Kontrast etwa zu den Romanen von Fanny Lewald ("
Wandlungen") und Robert Giseke (der
"Moderne-Titanen"-Zyklus), die ihrerseits den Katzenjammer nach der Revolution verarbeitet haben. Und wer sich an Spindlers Komödien-Humorigkeit delektieren kann, kommt auch auf seine Kosten - wobei hinzuzufügen wäre, dass der Verfasser vor wirklich keinem einzigen trivialliterarischen Kniff Halt macht; wenn Arno Schmidt zudem in seinem Spindler-Dialog das Versprechen ablegt, dass der Autor ohne jegliche Sentimentalität auskomme, so haut auch dieses Urteil - wie das über den gesamten Roman - meilenweit daneben. —
Dennoch sei den auf Arno Schmidts Spuren Wandelnden dieses Opfer gern gebracht!