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Old 07-20-2018, 12:34 PM   #206
Marrella
Cambrian crab
Marrella ought to be getting tired of karma fortunes by now.Marrella ought to be getting tired of karma fortunes by now.Marrella ought to be getting tired of karma fortunes by now.Marrella ought to be getting tired of karma fortunes by now.Marrella ought to be getting tired of karma fortunes by now.Marrella ought to be getting tired of karma fortunes by now.Marrella ought to be getting tired of karma fortunes by now.Marrella ought to be getting tired of karma fortunes by now.Marrella ought to be getting tired of karma fortunes by now.Marrella ought to be getting tired of karma fortunes by now.Marrella ought to be getting tired of karma fortunes by now.
 
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Bernhard Kegel: Wenzels Pilz

Kegels ersten Roman, der in der Frühzeit der Gentechnologie entstand (das Buch ist ursprünglich 1993 erschienen), wollte ich schon seit längerem mal wieder lesen. Es spielt in einer nicht näher bezeichneten Zukunft, die aber nicht zu weit von der Gegenwart entfernt ist. Glücklicherweise sind noch nicht alle darin beschriebenen Visionen Wirklichkeit geworden, aber vieles ist inzwischen technisch möglich und vielleicht sogar Alltag. Mir haben von Anfang an die skurrilen Charaktere gefallen, allen voran Dr. Kurt Wenzel selbst, auch wenn er irgendwie ganz gut in einen Film von Loriot passen würde. Hier sind ein paar Auszüge aus meiner Rezension, die ich 1997 geschrieben habe.

Quote:
Dr. Kurt Wenzel ist Genetiker und arbeitet seit vielen Jahren für die Gentel, eine Firma, die darauf spezialisiert ist, gentechnische Produkte herzustellen, die den Menschen das Leben angenehmer machen sollen oder Organismen, die mit der verseuchten Umwelt besser zurechtkommen als ihre natürlichen Pendants. Vor vielen Jahren hat Wenzel deshalb einen Pilz entwickelt, der imstande ist, in Symbiose mit Bäumen zu leben, die von einer anderen Firma gegen sauren Regen resistent gemacht wurden. Das alles ist lange her, und er hat nie erfahren, ob sein Pilz jemals freigesetzt wurde. Eines Nachts klingelt bei ihm das Telefon, und er wird von seinem Chef auf der Stelle in die Firma beordert, da es angeblich mit seinem Pilz in Norwegen Probleme gibt. Dort haben zwei Urlauber ein Waldstück entdeckt, in dem alle Bäume abgestorben sind, dafür aber die Fliegenpilze die unheimliche Größe von Barhockern erreichen. Der verblüffte Wenzel erfährt, daß es sich bei diesen Riesenpilzen um "amanita wenzeli", seine eigene Kreation handelt. Die Gentel bestimmt daraufhin eine Delegation, die nach Trondheim fliegen muß, um sich vor Ort mit eigenen Augen vom Ausmaß der Schäden zu überzeugen. Dummerweise handelt es sich bei den beiden Urlaubern um einen Journalisten und seine Freundin, so daß sich die Sache nicht vertuschen läßt. [...]

Die Figuren, die Kegel für seinen Roman entwirft, sind teils skurril und liebenswert, teils fies und unsympathisch, aber niemals eindimensional. Wenzel ist ein alternder Junggeselle, dessen einziger Lebensinhalt in seiner Arbeit besteht und dem die wöchentlichen Besuche bei seiner Mutter im Altersheim zwar lästig sind, die er aber trotzdem pflichtbewußt auf sich nimmt. Eine heimliche Zuneigung, die er jedoch niemals offen zu zeigen wagt, verbindet ihn mit einer Arbeitskollegin, Frau Dr. Uhlich, die in der gleichen Abteilung der Gentel tätig ist wie er selbst. Sein größter Traum besteht darin, das Leben der Menschen zu verschönern und der Nachwelt ein paar Errungenschaften zu hinterlassen, für die alle ihm dankbar sind. Dies versucht er mit seinem Lieblingsprojekt, der "nordischen Stadtpalme" zu erreichen. - Jawohl, ganz recht, es handelt sich dabei um eine Palme, die auch am Polarkreis überleben kann.[...]

Bernhard Kegel, der von Hause aus Biologe und Ökologe ist, sich inzwischen aber völlig der Schriftstellerei verschrieben hat, entführt uns in eine Zukunft, wie sie sich jeder halbwegs kritische (oder pessimistische) Leser unschwer vorstellen kann. In Wenzels Welt gibt es kaum noch natürliche Produkte, alles wurde inzwischen "verbessert", um die Unzulänglichkeiten der Natur auszugleichen. Biologisch angebaute Lebensmittel gibt es nur noch in Spezialgeschäften für Nostalgiker zu einem horrenden Preis. Alles wird künstlich hergestellt oder aus gentechnisch veränderten Produkten gewonnen, sogar die Haustiere wurden den menschlichen Bedürfnissen optimal angepaßt. In dem Bestreben, alles besser zu machen, passieren natürlich immer wieder Pannen, die eine weitere Korrektur nach sich ziehen, so daß die Menschheit immer mehr in einen Teufelskreis gerät, wo versucht wird, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. [...]
Nun ja, viel mehr will ich hier nicht verraten. Mir gefällt auch der Fliegenexperte, der für Wenzels Problem zu Rate gezogen wird und Professor Henslowe, der in Cambridge versucht, Urkrokodile zu züchten. Es sind die Details, die dieses Buch für mich so lesenswert machen, auch nach 25 Jahren.

4 Sterne
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