Wer in Deutschland herumkommt, trifft nicht selten auf Hinweise zur historischen Bedeutung eines Ortes und würde sich vielleicht freuen, den geschichtlichen Zusammenhang mithilfe eines umfassenderen und gleichwohl handlichen Geschichtswerkes einordnen zu können. Dafür sind die beiden Bücher von Schäfer gedacht.
Dietrich Schäfer (* 16. Mai 1845 in Bremen; † 12. Januar 1929 in Berlin), war ein nicht unbedeutender deutscher Historiker, Professor in Breslau, Tübingen, Heidelberg und Berlin. Seine „Deutsche Geschichte“ war seinerzeit recht beliebt und erschien in mehreren Auflagen.
Er betrachtet die Geschichte – wie zur Kaiserzeit und in der Weimarer Republik nicht unüblich – in erster Linie unter nationalen Aspekten; Germanen-, dann Preußen- und schließlich Deutschtum werden für den heutigen Geschmack übermäßig betont, was damals aber offenbar den Erwartungen des Publikums entsprach und daher auch nicht verwundert.
Außer dieser Eigenheit fallen besonders auf:
- die vehemente Rechtfertigung des Protestantismus;
- die Konzentration auf den Aufstieg, die Glanzzeit und den Niedergang Preußens (letzteres in Verbindung mit dem zweiten deutschen Kaiserreich).
All dies liefert Ansatzpunkte für Kritik. Schäfer versichert anfangs die Einhaltung wissenschaftlicher Objektivität. Der Katholik wird aber bemängeln, dass die Gründe, die zur Reformation geführt haben, in allzu emotionalem Ton vorgebracht und der vom Verfasser sonst so oft betonte Aspekt der geschichtlichen Notwendigkeit hier vernachlässigt wird. Als Süddeutscher missfällt das oft nur kursorische Eingehen auf die Besonderheiten außerhalb Preußens. Die wirtschaftlichen und sozialen Krisen gerade des 19. Jahrhunderts werden stark vom Anlegen des Verfassers, das Werden der deutschen Nation nachzuvollziehen, überlagert. Völlig verliert der Verfasser die wissenschaftliche Contenance im Zusammenhang mit dem Verlauf und den Ergebnissen des Ersten Weltkrieges; dort verlässt er nicht selten die Ebene sachlicher Auseinandersetzung – verständlich angesichts des Schocks über den unmittelbar vorausgegangenen Untergang der vom Verfasser so hoch gehaltenen Ideale.
In Wikipedia wird gesagt, Schäfer habe antisemitische Auffassungen geteilt; in der „Deutschen Geschichte“ wird lediglich an einer Stelle und ohne Bewertung des Aufkommen des Antisemitismus’ im 19. Jahrhundert erwähnt. Ferner wird das Eintreten des Verfassers für einen Siegfrieden betont; das mag sein, aus dem hier besprochenen Werk erklärt sich dies aus der persönlichen Einschätzung des Verfassers zur militärischen Lage, insbesondere zur See.
Vernachlässigt man die letzten Abschnitte, bleibt das Werk doch bemerkenswert, weil der Verfasser buchstäblich auf jeder Seite trotz des Verzichts auf Nachweise eine fundierte Einschätzung der jeweiligen Ereignisse abgibt und viele Argumente liefert, die selbst dem historisch nicht unbewanderten Laien neu und bedenkenswert sind.
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