Anatole France (François Anatole Thibault; 16. April 1844 in Paris – 12. Oktober 1924 in Saint-Cyr-sur-Loire) war ein französischer Schriftsteller. 1921 erhielt er den Literaturnobelpreis. (aus Wikipedia)
Die rote Lilie. Originaltitel:
"Le lys rouge" (1894). In der Übersetzung von Fanny Gräfin zu Reventlow.
Der autobiografisch inspirierte Roman erzählt die Geschichte der schwierigen Liebe einer Bankiersgattin zu einem Künstler (1899 zu einem Stück verarbeitet und aufgeführt). (nach Wikipedia)
Quote:
Sie ließ ihren Blick noch einmal prüfend durch den Salon schweifen. Die Lehnstühle waren vor dem Kamin zu einer Gruppe arrangiert, und der gedeckte Teetisch leuchtete aus der Dämmerung hervor. Die chinesischen Vasen waren mit mächtigen, mattgetönten Schneeballbüschen gefüllt. Sie senkte ihre Hand in die blühenden Zweige, so daß die silberglänzenden Blütenbälle sich leise berührten.
Dann betrachtete sie sich ernst und nachdenklich im Spiegel und blickte seitwärts gewandt über die Schulter weg, um die feinen Linien ihrer Gestalt zu verfolgen, wie sie sich unter dem eng anliegenden schwarzen Atlaskleid abzeichneten, in dessen leichtem, lose flatterndem Überwurf dunkelleuchtende Perlen zitterten. Nun trat sie noch dichter heran – es interessierte sie lebhaft, wie ihr Gesicht heute aussah. Der Spiegel warf ihr ihren eigenen ruhigen Blick zurück, ganz so, als ob jene sympathische junge Frau, deren Züge sie da mit Wohlgefallen studierte, ihr Leben ohne heiße Freude und ohne tiefen Schmerz dahinlebte.
Leer und schweigsam lag der große Salon da. Die Gobelins mit ihren gedämpften Farben und den schattenhaften Gestalten, die sich mit müder Anmut in den Spielen von ehedem bewegten, die Terrakotta-Statuen auf kleinen, säulenförmigen Sockeln, die Nippfiguren aus altem Meißner Porzellan und die Malereien aus Sèvres, die die Glasschränke füllten – alles das schien von längst entschwundenen Zeiten zu reden. Auf einem reich in Bronze gearbeiteten Postament stand die Marmorbüste irgendeiner Prinzessin des königlichen Hauses, die als Diana dargestellt war. Das Gesicht war welk und unschön, während die Brust sich kühn aus den gekünstelten Draperien hervorhob. Das Deckengemälde zeigte die Göttin der Nacht, gepudert wie eine Marquise, Amoretten umschwebten sie, Blüten entsanken ihren Händen. Das Ganze sah so gelangweilt und schläfrig aus; man hörte nur das Feuer im Kamin knistern und das leise Rascheln der Perlen in der leichten Gaze.
…
»Den Armen liegt es ob, die Reichen in ihrer Macht und ihrem Müßiggang zu erhalten. Dafür dürfen sie arbeiten unter der majestätischen Gleichheit des Gesetzes, das Reichen wie Armen verbietet, unter Brücken zu schlafen, auf den Straßen zu betteln und Brot zu stehlen. Wieder eine Wohltat der Revolution. Diese Revolution ist von Narren und Idioten zugunsten von Erraffern nationaler Güter gemacht worden, und sie läuft schließlich nur hinaus auf die Bereicherung gerissener Bauern und wucherischer Bourgeois. Sie errichtete im Namen der Gleichheit das Reich der Reichen. Sie hat Frankreich den Geldleuten ausgeliefert, die es seit hundert Jahren auffressen..«
|
This work is assumed to be in the Life+70 public domain OR the copyright holder has given specific permission for distribution. Copyright laws differ throughout the world, and it may still be under copyright in some countries. Before downloading, please check your country's copyright laws.
If the book is under copyright in your country, do not download or redistribute this work.
To report a copyright violation you can
contact us here.