Quote:
Originally Posted by faltradl
Meine negative Meinung auf solche Listen bezieht sich nicht speziell auf die ZEIT-Liste. Und auch nicht auf Auswertungen von Verkaufszahlen/Umfragen. Ich meine mehr diese "das sollte man gelesen haben" Listen aus der Feder von Literaturkritikern. In denen meist die Trivialliteratur nicht stattfinden darf, sondern nur tiefgeistige Höhenflüge.
|
Unterhaltungsliteratur darf durchaus stattfinden, nur ist das eben nichts was in der Schule oder in der Literatur seinen Platz hat. Es gibt eben einen Unterschied zwischen Unterhaltung und Kunst. Der ist manchmal nicht ganz leicht zu ziehen, und dennoch ist der Unterschied da. Deswegen gibt es öffentliche Museen, öffentliche Theater, deswegen gibt es öffentliche Bibliotheken, um Kunst und Kultur zu fördern.
Wenn man mitreden möchte im Bereich Literatur, dann gibt es durchaus eine Anzahl Werke deutschsprachiger Autoren, die man gelesen haben muss, um den Geschmack zu schärfen und die eigene Fähigkeit zur Unterscheidung herauszubilden. Welche Werke das nun sind kann man diskutieren. Da würde ich mich aber eher an eine Hochschule wenden und an die germanistische Fachliteratur, als Listen irgendwelcher Magazine zu vertrauen.
Denn diese Dinge sind Gegenstand wissenschaftlicher Forschung, ein »Literaturkritiker« ist einfach nur jemand, der diese Dinge dann populär im Fernsehen darstellt. Sloterdijk ist auch nicht der wichtigste Philosoph, aber er ist eben der bekannteste TV-Philosoph, und genauso war Marcel Reich-Ranicki auch nicht der wichtigste Germanist, aber er war der bekannteste TV-Literaturexperte. Und zwar zu Recht, der hat sich seinen guten Ruf hart erarbeitet. Nicht unbedingt durch die Showeinlagen, mit denen er bekannt geworden ist, sondern mit seinen bisweilen recht
wertvollen und
differenzierten Beiträgen.
Wenn man sich nun gar nicht für Kunst und Literatur interessiert, dann ist das ja kein Problem. Es zwingt einen ja niemand. Nur würde ich dann eben nicht Germanistik studieren, zum Beispiel. Dann muss man sich eben mit anderen Dingen beschäftigen.
Allerdings ist es so, das eigentlich alle Literaten sich auch mit Unterhaltungsliteratur beschäftigen, das ist sehr wichtig für die Auseinandersetzung mit dem eigenen Fach. Auch Cineasten schauen Hollywoodfilme, um zu sehen, wie Dinge technisch, thematisch oder erzähltechnisch dargestellt werden.
Der Schriftsteller und Medienwissenschaftler Umberto Eco hat vor virelen Jahren einen wichtigen Essay zu den James-Bond-Büchern geschrieben und diese Bücher in einer Art und Weise niedergemacht, die selbst ich beinahe schon erschreckend finde. Um so etwas schreiben zu können muss Umberto Eco diese Bücher aber erst einmal gelesen haben, das ist wichtig zur Meinungsbildung und -findung.
Ebenso lesen die Autoren von Unterhaltungsliteratur zumeist keinesfalls selber nur Unterhaltsames und Heftromane, die beschäftigen sich nach dem, was man so hört, durchaus häufiger mit Erzeugnissen der Hochkultur.
Ich verstehe auch gar nicht, weshalb Du diesen Ausdruck »Trivialliteratur« in die Runde wirfst. Das ist ein ziemlich polemischer und abwertender Begriff.
Heftromane kann man leicht als solche identifizieren, denn sie sind auf billigem Zeitungspapier in Heftform gedruckt. Es gibt aber eine ganze Anzahl literarischer Kriminalromane, die genau diesen »Pulp«-Aspekt der Heftromane schwerzhaft kopieren und damit überhöhen. Ausdrücke wie »Pulp« oder »Noir« sind heute Auszeichnungen und Qualitätssiegel für literarische Kriminalromane.
Kitschbücher (das ist eigentlich das, was mit dem Begriff »Trivialliteratur« im engeren Sinne gemeint ist) sind etwas, was niemals den Anspruch erhebt, Literatur zu sein. Das wendet sich auch an ein ganz anderes Publikum als das, was wir normalerweise unter dem Gegenstand »Buch« verstehen. Kitschbücher sind heute Gegenstände von Sammlungen, da sie die Moden, die Wünsche und Hoffnungen (sozusagen: den Zeitgeist) der Jahre, in denen sie verfasst wurden, ganz gut wiedergeben. Das ist eher etwas für die kulturwissenschaftliche, als für die literarische Forschung, und auch nur dann, wenn diese Kitschbücher schon mindestens ein, zwei Generationen alt sind.