Wenn sich hier alle einig sind, wird’s langweilig, deshalb versuche ich mich jetzt mal an einer Ehrenrettung solcher Listen. Niemand behauptet doch mehr ernsthaft, einen Kanon der 100 besten Bücher erstellen zu können. Aber eine Umfrage, welche Bücher die höchste Wertschätzung erfahren, ist ja auch nicht uninteressant. So notwendig der Versuch zum Scheitern verurteilt ist, sich auf einen Kanon zu einigen, lässt er trotzdem Rückschlüsse darauf zu, was einer Gruppe wichtig ist. Die Zeit-Liste ist ja nicht nur eine Auflistung von Buchtiteln, sondern indiziert eine Sammlung von Essays über diese Bücher, die die Wahl begründen, mit Gründen, die man teilen oder ablehnen kann; das ist keine ex-cathedra-Verfügung mit absolutem Wahrheitsanspruch. Niemand wird durch eine solche Liste gezwungen, diese Bücher zu lesen oder andere zu ignorieren, die nicht draufstehen. Und sofern es für die »Bedeutung« von Büchern eine Rolle spielt (was ich bejahen würde), ob das, was einem diese Bücher mitteilen, die Zeiten überdauernd von Interesse ist, halte ich jede Wette, dass Goethe in hundert Jahren noch auf den Listen draufsteht und irgendein beliebiger fünfter Band einer Science-Fiction-Romanserie eben nicht. Was selbstverständlich nicht bedeutet, dass der Science-Fiction-Roman nicht unterhaltsam zu lesen sein kann.
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