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dies sonst bei Gyskra gewohnt war. Er hatte langsam,
nicht sehr laut, und manchmal im Tone eines akademischen
Vortrags gesprochen.
Den schroffsten Gegensatz zu dieser Gemessenheit bildete
nun die wahrhaft sprühende Verteidigungsrede Doktor
Kretschmars.
Mit der Begeisterung eines Mannes, der nicht nur der
Pflicht seines Berufes gehorcht, sondern mehr noch dem
freudigen Drang seines Herzens, legte er Punkt für Punkt
die Hinfälligkeit der Anklage dar, die — anfangs auf
das Zusammentreffen mehrerer Schein»Gründe basiert —
nunmehr durch das unzweideutige Resultat der Beweis-
aufnahme derart erschüttert sei, daß selbst der Herr Ober»
Staatsanwalt nur noch mit sichtlichem Widerstreben sie
aufrecht erhalte. Der Herr Ober»Staatsanwalt müsse das
gleichsam nonoris caus»., da er ja seiner persönlichen Über-
zeugung nicht Raum geben dürfe, sondern beauftragt sei.
Alles, was er an Stützen und Stangen noch auftreiben
könne, mühsam hervorzusuchen. Aber dem voll anbrausen»
den Sturme der Wahrheit halte eine solches Gebäude
nicht Stand. . .
Er nahm nun sämmtliche Einzelmomente, auf denen
die Anklage fußte, zur Demonstration in die Hand und
bewies ihre Nichtigkeit.
Vor Allem bekämpfte er den naheliegenden Irrtum,
als sei Christian Lichert schon deshalb des Mordes ver-
dächtig, weil er in gedankenloser Brutalität, im Taumel
der Wut und des Schmerzes, ein andres Verbrechen be-
gangen, dessen Tragweite ihm aller Wahrscheinlichkeit nach
nicht vollständig klar gewesen.
Die Reue, die Christian Lichert über die frevelhafte
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