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sophistischer Art, zum andern jedoch von Hellmuths person-
lichem Standpunkte aus nicht unberechtigt.
Zu den Sophismen, mit denen er sein Rechtsgefühl
unterdrückte, zählte vornehmlich die These: wenn Lichert
wirklich zum Tode verurteilt und dieses Urteil an ihm
vollstreckt würde, so sei das bei dem ungefügen, freiheits»
durstigen Temperamente des Burschen fast eine Wohlthat
für ihn. Sechs Iahre Zuchthaus und hierzu die weitere
Strafe, die ihm doch jedenfalls wegen des Attentats auf
den Gefängniswärter bevorstand —: lieber das Äußerste!
Hellmuth that also, streng genommen, ein gutes Werk.
Er selber würde im nämlichen Fall auch keine Sekunde
geschwankt haben, was ihm erwünschter käme. Nur die
Furcht vor dem Tode, nicht der Tod war ein Übel!
Sehr im Widerspruch mit dieser Betrachtung stand
eine andere, die sich ebenso oft bei ihm einstellte.
Wer wußte denn, ob nicht schließlich doch bei der
Hauptverhandlung Momente zu Tage traten, die den Ge»
schwornen die Schuldfrage zweifelhaft machten?
Der Mensch war ja thatsächlich unschuldig: also
konnten sich doch Bedenken ergeben, die zur Freisprechung
führten . . .
Übrigens — mochte dem sein, wie ihm wollte: Lichert
war und blieb unter allen Umständen ein gefährlicher
Mensch, ein wüster und wilder Patron, der noch unsäg»
liches Unheil in der Welt anstiften würde . . . Was
er da über die Art und Weise erzählt hatte, wie er in
den Besitz der zweihundert Mark gelangt war, schmeckte
doch sehr nach Erpressung und mußte dem Übelthäter,
wenn die Beteiligten wirklich entdeckt wurden, gleichfalls
eine erhebliche Strafe zuziehn. Das war dann das dritte