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erwart' ich Dich hier — immer um diese Zeit — ver»
stehst Du?"
Das Kind sah strahlend zu ihr empor, nickte, gab ihr
noch einmal die Hand und trabte dann durch den tiefen
Schnee um den Garten herum nach der Waldhütte.
Sobald Sascha allein war, versank sie wieder in eine
traumhafte Schwermut.
Der ganze Tag war so trüb' und so drückend ge-
wesen; ein Nachklang der gestern zu Ende gekommenen
Gerichtsverhandlung lag in der Luft, ein fern verhallen»
des Echo der Iammertöne, die der Verurteilte ausgestoßen.
Es mußte entsetzlich gewesen sein, wenn ihr starknerviger
Vater noch heute daran laborierte! Er sprach nicht; das
Essen schmeckte ihm nicht; er lief im Hause umher, als
fühle er sich verantwortlich für den Wahrspruch, den er
als Obmann verkündigt hatte . . .
Wie konnte man auch einen Menschen verurteilen,
dessen Schuldlosigkeit so klar wie die Sonne war!
Eine seltsame Welt, voll von Widersprüchen und
Gegensätzen, unfaßlich in ihrem Wesen, unbegreiflich in
ihrem Sinn! . . .
Sollte man's glauben, daß dieses nämliche Gothen»
gchölz, das jetzt so schwarz und gespenstisch zum lichtlosen
Himmel emporstieg, im Sommer ein grünes, rauschendes,
sonniges Paradies war, ein Irrgarten mit lockenden Tiefen
und duftigen Abtönungen, ein Bild, an dem sich der heiß
bewundernde Blick nicht genug that? Welch ein Leben in
dem Gesträuch, welch ein Zwitschern und Iubeln! —
Und jetzt: Alles wie tot. . .!
Überhaupt . . . man lebte hier draußen doch recht ein»
sam und abgeschieden! Sturm und Schneefall bauten ja