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Korridor und trat vorsichtig in das Studierzimmer Hell-
muths. Die Thür nach dem Laboratorium stand auf; es
roch stark nach einem unentwirrbaren Vielklang von Chemi-
kalien. Der Ober»Staatsanwalt lächelte. Für Augenblicke
hatten sich seine Gedanken von der Aufgabe, die ihn be-
schäftigte, losgerissen; sie wandten sich zu dem Sohne, der
sein Glück und sein Stolz war, der jetzt eifrig an dem
großen Problem wirkte, das Altenhöfer, der vielbeschäftigte
Praktiker, nicht zu lösen vermochte, das Hellmuth jedoch,
wenn auch nach jahrelangem Bemühen, sicher enträtseln
würde! Die Vaterliebe ist so vertrauensvoll; sie erblickt
schon im unreifen Knaben den künftigen Welterobrer. Ein
Vater, der seinen talentvollen Sohn liebt, ist immer sein
erster Apostel.
Herr Gyskra setzte die Kerze nieder. Eine Weichheit
überkam sein Gemüt, die er sich selbst nicht erklären konnte.
Alte Erinnerungen stürmten auf ihn ein, ganz plötzlich,
ohne erkennbaren Übergang. Er sah den kleinen drei-
jährigen Hellmuth, wie der Iunge an ihm herauf sprang,
und mit den Worten: ,Papa, Papa, ich habe Dich lieb!'
sich schelmisch an seine Brust warf . . .
Ietzt, zwischen den Männern ziemten sich diese, ach!
so reizenden Tändeleien nicht mehr. Eine seltsame Scheu
hielt den Vater zurück, Liebkosungen, die ihm schon in der
Hand zuckten, auszuführen, — dem Sohn die Wange zu
streicheln oder das Haar: aber manchmal hätte er ein
Iahr seines Lebens darum gegeben, den großen, klugen,
erwachsenen Hellmuth noch ein einziges Mal, wie damals
den kleinen Burschen, wider sein Herz zu pressen, ihm
die Lippen zu küssen, ihm zuzuraunen: ,Du bist mein
Alles!' —