— 220 —
mit einemmal stärker und stärker ward, bis er zuletzt
schmetterlingsgroße Flocken leise zur Erde sandte, die sich
bahrtuch»ähnlich um Sascha's gebeugte Schultern zusammen»
woben.
Nun fuhr sie empor. — Verzweiflungsvoll rüttelte sie
an der Klinke.
„Vater, bist Du von Sinnen? Ich kann doch hier nicht
die Nacht über draußen bleiben!"
Im Erdgeschoß, gegenüber dem traulichen Mädchen-
heim, wo sie so froh und so glücklich gewesen, ging jetzt
ein Fenster auf.
„Mach', daß Du fortkommst!" raunte der Oberst,
bebend vor Wut. „Denkst Du, ich spiele Komödie? Geh'
ins Hotel oder sonst wohin! Morgen kannst Du uns deine
Adresse melden. Was Dir zukommt, sollst Du pünktlich
erhalten. Aber im Hause leid' ich Dich nicht! Ein Kind,
das den Vater mißachtet, gehört auf die Gasse."
Sascha raffte sich auf. Ohne ein Wort der Entgegnung
nahm sie den Handkoffer.
„Die Grete kann Dir den Koffer tragen! Wart' einen
Augenblick!"
Sascha hatte jetzt eine Geberde wie eine Fürstin, die
von den Henkersknechten der Revolution umringt ist.
„Ich brauche weder die Grete noch sonst wen," sagte
sie ruhig.
„Willst Du noch auftrumpfen?"
Sascha wandte sich trotzig zum Gehn.
Noch einmal umschauend, sagte sie tonlos:
„Leb' wohl, Vater! Du bereust wohl noch, daß Du
mich so vom Hause jagst wie eine Diebin!"