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„Was?" rief Mathilde im Ton der beleidigten Un»
schuld. „So also hast Du mich hintergangen? Bei dem
adligen Fräulein da bist Du gewesen? Und Du hast
Dich doch Wunder wie aufgespielt, wenn ich mal zu»
fällig meinen Cousin von den Dragonern ..."
Der Landrichter siel ihr ins Wort.
„Sie können jetzt gehn!"
„Gott sei Dank," versetzte das Mädchen schnippisch.
„So etwas lebt nicht!"
Und hübscher als je warf sie den Kopf in den Nacken
und eilte der Thüre zu, wie eine trotzige Amazone, die
Allen die Fehde bietet.
Sascha von Rheuß glich einem Marmorbild.
In dem Augenblick also, da sie — man mochte die
Sache drehn, wie man wollte — ihren weiblichen Ruf
kühn auf das Spiel setzte, um den Geliebten zu retten,
enthüllte sich dieser als ein verblendeter, nichtiger Thor,
der ihrer Liebe nicht würdig war! In der nämlichen
Stunde, da sie am tiefsten empfand, wie hingebungsvoll
ihr leidenschaftliches Herz für ihn schlug, stürzte das hehre
Idol ihrer Träume in Scherben. Sie hätte ihm Alles
vergeben — selbst eine Schuld, die er sühnen mußte, —
selbst einen Makel, der vor der Welt auf ihm haften
blieb; ... sie hätte gesprochen, wie die Braut des Ge-
ächteten: ,Was wäre die Liebe, die Alles vermag, wenn
gleich sie nicht bliebe in Ruhm und in Schmach!' —
Aber daß sie ihn so verlor, so kläglich, so schal und
erbärmlich — das überstieg ihre Kräfte!
Nur hier, vor ihm und vor den Gerichtspersonen, mußte
sie ihre Selbstbeherrschung zusammenraffen. Er sollte und
durfte nicht ahnen, was er ihr war! Um keinen Preis!