Achtzehntes Aapitel.
Im herrlicher Maitag goß über den gothischen Sarg
des Iustizpalastes sein verglühendes Licht. Der
ganze westliche Himmel schwamm in Purpur und
Gold; die verschnörkelte Architektur des riesigen Bauwerks
löste sich auf und zerschmolz mit all ihren Harten und
Schroffheiten.
In der Weylbrunnerstraße lag schon ein bläuliches
Dämmern. Aber die Luft war so klar, daß diese Däm-
merung fast noch zu leuchten schien. Bis ferne zum
Friedrichsplatz unterschied man jeden Altan, jeden Pilaster,
jedes Reklameschild.
An der Freitreppe vor dem Hauptportal standen zwei
Männer, die von der Herrlichkeit dieses Abends wenig
berührt wurden. Der Eine von ihnen sprach; der Andre
hörte ihm atemlos zu. Der Erzähler war Ottfried Stege-
mann; der eifrige Zuhörer Doktor Altenhöfer.
Ieden Augenblick nämlich erwartete man den Ausgang
der Hauptverhandlung gegen den Sohn des Ober»Staats-
anwalts Gyskra. Die Geschwornen befanden sich längst
im Beratungszimmer. Stegemann, der vor Kurzem erst
den Gerichtssaal verlassen hatte, konnte dem alten Chemiker