— 188 —
dabei, sie zu schonen, obgleich er sich selber dadurch ins
Verderben stürzt!
Sie weiß, er ist schuldlos! Nicht nachgeschlichen ist
er dem Burckhardt, sondern, aus ihrem Fenster über die
Mauer flüchtend, ist er im Gothengehölze mit ihm zu-
sammengestoßen.
Hellmuth hat ihr zwar später gesagt, er sei um die
Nachbarhäuser herum nach der Chaussee gegangen und
habe, die Pferdebahnlinie verfolgend, die Stadt erreicht.
Ietzt aber sieht sie ein, daß diese Unwahrheit nur
den Zweck hatte, ihr die Ahnung des wirklichen Sachverhalts
abzuschneiden.
Sie entsinnt sich jetzt, daß sie schon früher einmal
jenseits der Mauer eine große dunkle Gestalt wahrnahm,
die sich eilig verbarg, als sie ans Fenster trat. . . Eine
plötzliche Offenbarung senkt sich in ihr verstörtes Gemüt.
Sie weiß jetzt, daß Burckhardt sich gleich von Anfang
rasend in sie verliebt hat; daß hundert begehrende Blicke
ihr diese Verliebtheit, von der sie damals nichts ahnte,
verraten sollten. Sie weiß jetzt, daß Er es war, der sich
so scheu da versteckte, wie Einer, der nichts Gutes im
Schilde führt; und daß er auch damals, am Tage der
Katastrophe, mit seinen spähenden Luchsaugen irgendwo
dort gelauert hat. . . Alle Einzelheiten drängen sich ihr
zusammen; sie begreift; sie combiniert sich die Wahrheit
wie eine Hellseherin.
Der Oberst schaute ihr eine Weile in das entfärbte
Gesicht. Dann zog er sie an sich und küßte ihr mit einer
Weichherzigkeit, die sonst nicht in seiner Natur lag, die
lockenverhangne Stirne. Was er längst schon geahnt hatte,
war ihm durch Sascha's Totenblässe bestätigt worden. Er