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des Verhandlungssaales, bang auf das entscheidende Wort
harrend, elend und bettlergleich, wie im Anbeginn.
Nicht minder grausam litt' der Oberst von Rheuß.
Die arme Sascha hatte drei Wochen hindurch mit dem
Tode gerungen.
Nachdem man das siebernde Mädchen zu Bett ge-
bracht — Emmy räumte ihr das eigne Gemach ein,
während sie selbst das Schlafzimmer ihres Bruders be-
zog —, zeigten sich die Symptome einer schweren Gehirn»
entzündung. Die Kranke sah rollende Feuerkugeln. Das
Fieber wuchs. Rasende Schmerzen, zumal in den unteren
Gliedmaßen, wechselten mit den Ausbrüchen eines Deli-
riums, in welchem ihr Vater, Hellmuth, der Schnee und
das fürchterliche Gespenst des Iustizvalastes eine verständ-
liche Rolle spielten, während der wechselnde Rahmen zu
diesen Hauptbildern aus den buntesten Arabesken, oft lieb-
lich»poetisch, oft grausig und herzzerreißend, zusammen-
gesetzt war.
Der Oberst, noch in der nämlichen Nacht von dem
Unheil in Kenntnis gesetzt, kam herangewankt, wie Einer,
der eben dem Grabe entsteigt. All sein Trotz, all seine
Strenge, ja selbst seine Kraft schien aufgelöst und ge-
wichen. Laut heulend wie ein verwundeter Löwe warf er
sich vor die Bettstatt. Er schmähte sich in den furcht-
barsten Ausdrücken. Er nannte sich einen ehrlosen Mörder.
Er netzte mit strömenden Thränen das Antlitz, die Locken,
die Hände seines geliebten Kindes und rief sie verzweifelt
mit Namen, bis Frau von Beresow und Frau Gyskra
mit sanfter Gewalt ihn hinwegführten. Man hatte die
größte Mühe, daß er nicht auf der Stelle sich selber ein
Leids anthat.