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baren Elends war. Schämig, wie alle Verderberinnen,
schlug sie die Augen nieder, die heuchlerischen Sirenen»
Augen, die so lockend unter den Wimpern heraus mit
dem Ackerknecht kokettiert hatten. Ohne die gleihnerische
Person stünde ja Lichert noch jetzt vielleicht ruhig und
friedlich im Dienst des Commerzienrats; Alles, was mit
der Verurteilung des Menschen zusammenhing, — vor-
nehmlich der Ausbruch aus dem Gefängnis — hätte sich
niemals ereignet; die Justiz hätte dann später, als Burck»
hardt gefunden wurde, keinerlei Anhaltspunkte für die
Eröffnung eines Prozesses gehabt; er, Gyskra, würde nie»
mals die Angelegenheit übernommen, also auch niemals
Verdacht gegen Hellmuth geschöpft haben; er wäre in keinen
Conflikt mit sich selbst geraten und stünde noch jetzt frei
und fleckenlos auf dem Piedestal, das er ein langes,
arbeitsvolles Leben hindurch sich gegründet hatte! . . .
Und nun lächelte diese Person und bog sich und schmiegte
sich wie ein Aal, weil ein flotter Student zum Büffet trat
und sie mit irgend einer blumigen, albernen Phrase
begoß!
Sie lächelte, wie rings umher die ganze weite ver»
ständnislose Welt; — wie die Herren da drüben am Eck-
tisch, von denen der eine wohl Anekdoten erzählte; —
wie der Pfeiler dort mit dem gesichterschneidenden Kapitäl;
wie das Blatt hier, das gleich auf der ersten Seite eine
Bacchantin brachte!
Es war nicht zu ertragen!
Ietzt schritt ein andrer Gelegenheitsgast ins Cafe —
der Oberst von Rheuß. Gott, oh Gott, welche Hoffnungen
hatte Gyskra auf diesen Oberst gebaut, und wie schaurig
lag das nun Alles in Trümmern!
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