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gegen sich selbst. Unter den Frohen und Reinen war streng
genommen kein Platz für ihn! Hellmuth stand makellos
da und mit dem Schicksal versöhnt; für die wahrheits»
widrige Starrheit seines ersten Verhaltens, die sich viel-
leicht sogar noch entschuldigen ließ, hatte er monatelang
unter falschem Verdacht im Gefängnis geschmachtet und
somit reichlich gebüßt, selbst in den Augen der Mitleids-
losen. Es lag deutlich zu Tage, daß Burckhardt, dessen
Gewaltthätigkeit in drei oder vier ähnlichen Fällen glaub»
haft erhärtet war, die furchtbare Katastrophe ohne die
mindeste Schuld Hellmuths herbeigeführt; daß der An-
gegriffne sich dem entsetzlichen Menschen, der wie ein
reißendes Tier über ihn hersiel, nur mit dem sittlich und
staatsbürgerlich begründeten Rechte der Notwehr entgegen
gestellt und sich auf ethisch unanfechtbare Weise verteidigt
hatte. Ruhigen Gewissens konnte Hellmuth also der Zu-
kunft ins Auge schau'n, seinen Beruf wieder aufnehmen
und das große Problem fördern, dessen glückliche Lösung
den letzten unaufgegangenen Rest einer Schuld an die
Menschheit abtragen würde. Wie aber sah's im Gewissen
des Vaters aus? Kein Klügeln half und kein praktisches
Philosophieren gegen den Mahnruf diefer unüberhörbaren
Stimme! Donnernd rief sie ihm zu: ,Tm hast deine
Pflicht verletzt! Du hast jene Anklage aufrecht erhalten,
obgleich Du von der Schuldlosigkeit Licherts völlig durch-
drungen warst!'
Das erste Mittagsmahl der wieder vereinten Familie
siel denn infolge der neu erwachten Kämpfe des Ober»
Staatsanwalts nicht so froh und so herzlich aus, wie dies
Alle gehofft hatten. Doch erklärte man sich den schweig-
samen Ernst des Vaters aus dem Nachhall der tiefen Ge»