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noch allerlei Pläne durch sein Gehirn, wie er die Pein,
die Lichert bis dahin schuldlos erlitten hatte, demnächst
wieder gut machen wollte.
Herr Gyskra mußte um jeden Preis sein Gewissen ent-
lasten, sonst hätte er trotz des günstigen Ausgangs nie
wieder eine ganz wolkenlos»befriedigte Stunde gehabt.
Aber dem Himmel sei Dank, es gab ja hier Mittel
und Wege! Der Ober Staatsanwalt stand in ungewöhn-
lichem Ansehen bei dem Iustizminister; ja selbst der
Landesherr zeichnete ihn bei jeder Gelegenheit mit be»
sonderer Gunst aus. Doktor Kretschmar würde nach zwei,
drei Iahren, wenn der verurteilte Brandstifter etwa die
Hälfte seiner Strafzeit verbüßt hätte, ein Gnadengesuch
einreichen, und er, Gyskra, würde dies Gnadengesuch mit
aller Kraft unterstützen. Er zweifelte nicht an dem guten
Erfolg, und wenn dann Lichert um so viel früher wieder
die Freiheit erlangte, so wog das am Ende die paar
Wochen der Todesangst auf . . .
Auch konnte man dem Entlassenen sich hilfreich be-
weisen, ihm zunächst durch Geldmittel an die Hand gehen,
ihn der Menschheit zurückgeben als ein brauchbares und
gebessertes Mitglied; — denn Lichert — das erkannte
der Ober»Staatsanwalt klarer als je — war kein niedrig
gesinnter Charakter, sondern ein Mensch, für den das
Zuchthaus vielleicht zum Erziehungshaus wurde.
Eine wunderbare Verknüpfung der Umstände!
Der Ober«Staatsanwalt, halb schon entschlummernd,
fühlte, wie ihm das Herz schwoll vor zärtlicher Sympathie
für den Angeklagten, den er morgen im Plaidoyer an-
greifen follte!