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ihr der eigentümlich getonte Refrain auf den Lippen,
der ja für sie einen ganz besonderen Sinn hatte. —
.Wie einst im Mai . . .' wiederholte sie drei» oder vier»
mal und hielt einen Augenblick inne und lächelte still
und glückselig ... Am zehnten Mai hatte der Mathe»
matikprofessor Doktor Franz Lehr sich nach monatelanger
stummer Werbung mit ihr verlobt!
Da steckte das Stubenmädchen sein langes, verblüfftes
Gesicht durch den Thürspalt und flüsterte:
„Gnädiges Fräulein . . .!"
Sie hielt zwischen Daumen und Zeigesinger eine
Visitenkarte.
„Gnädiges Fräulein, der Herr da wünscht den Herrn
Ober»Staatsanwalt schleunigst zu sprechen."
„Was?" fragte Emmy. „Gieb her! Der Land»
gerichtsrat von Grolmann? Um sieben Uhr früh? Das
ist seltsam! Na, ich bin ja hier ziemlich fertig . . . Führ'
ihn herein! Da neben ist's noch nicht warm genug.
Herr von Grolmann bekundete eine ungewohnte Ver»
legenheit, einen peinvollen Ernst, Er war außerordent-
lich blaß und verneigte sich beinahe linkisch,
„Verzeihen Sie, daß ich so früh — fast noch vor
Tag — Sie belästige! Ich habe in einer sehr, sehr wich-
tigen Sache sofort mit Ihrem Herrn Vater zu sprechen."
„Papa schläft noch," stammelte Emmy erstaunt.
„So bitte, wecken Sie ihn!"
Das Stubenmädchen stand noch in der geöffneten Thür,
Emmy beauftragte sie, dem Wunsche des Herrn Land»
gerichtsrats Folge zu leisten.
Höchst eigentümlich berührt sah sie ihr nach. Der-
gleichen war noch nicht vorgekommen. Es mußte sich