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Sohn auch opfern wollen —: wie stand es da um die
Mutter des Unglückseligen, um die Schwester, die jetzt
eben den jungen Traum ihrer Liebe träumte? Beide -^
die Frommen, die Schuldlosen — gingen unabwendbar zu
Grunde. Oh, dafür kannte er sie! Und er, der Gatte,
der Vater, den das Schicksal dazu berufen hatte, die
Zukunft dieser geliebten Menschen zu schirmen, er selber
sollte den Feuerbrand in dies friedliche Heim werfen?
Unmöglich!
Auf dem Gipfel dieses .Unmöglich!' angelangt, schlug
die Last, die der gefolterte Mann emporwälzte, jedesmal
wieder um.
Mit verdreifachter Heftigkeit bäumte sich jenes Etwas
in seiner Brust auf, das dem Ehrenmanne besiehlt, Alles —
auch das Glück feiner Lieben, auch die Unbeflecktheit des
Namens — gering zu achten, wo ein Höheres in Betracht
kommt, die Übereinstimmung mit den unbeugsamen For»
derungen des kategorischen Imperativs.
Die grandiose Gestalt des Brutus tauchte ihm auf,
der sein eignes Fleisch und Blut nicht verschonte, da es
sich um die Beschützung der Republik handelte. Und wje
federleicht wogen doch die Motive des Brutus, mit den
feinen verglichen! Der römische Staat wäre wohl nicht
zu Grunde gegangen, hätte Brutus ein Wort der Gnade
gesprochen: hier aber, wenn der Vater um seines Sohnes
willen die Wahrheit verschwieg, starb ein Schuldloser auf
dem Schafott!
Es überrieselte ihn wie Todcskälte. Die maßlose
Erregtheit seiner Nerven sah jetzt Alles vergrößert; das
Mögliche dünkte ihm schon wahrscheinlich; das Wahr»
scheinliche zweifellos. Das Bild des Blutgerüstes, das