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geschneit. Alles blinkte und glänzte in kräftiger Klarheit.
Die unbewegliche Frostluft lockte verführerisch zum ge»
wohnten Spaziergang . . . Und nun saß er hier über
den Akten — plan» und gedankenlos, nur zum Schein,
nur um sich künstlich vor seinem eigenen Elend zu
retten —, während sich Hellmuth drüben unter dem Druck
einer That wand, die er nicht zu bekennen wagte!
Fast eine Stunde lang wiederholte der Ober-Staats-
anwalt jenes grausame, herz» und hirnzerbrechende Spiel,
das ihn während der furchtbaren Stunde vor Hellmuths
nächtlicher Heimkehr zermartert hatte: das resultatlose
Abwägen zweier Entschlüsse, die ihm beide gleich unaus»
führbar schienen.
Es war nicht zu schildern, was ihm so auf» und
abrollend durch die Seele zog . . .
Und merkwürdig: all' diefe Gedanken schienen von
außen zu kommen, ihm eingeträufelt zu werden von guten
und bösen Geistern, die ihn umschwebten gleich rauschenden
Nachtschmetterlingen. Ia, er vernahm fast die Stimmen
dieser Gespenster wie in den Anfangsstadien einer Gemüts'
krankheit . . .
Bunt durcheinander wirbelten alle erdenklichen Ton»
arten.
,Du redest von Vaterliche —/ klang es verbittert,
,und willst deinen Hellmuth zu Grunde richten? Prüfe
dich doch! Ein gemeiner Mörder kann er nicht fein:
das weißt du! Also liegt etwas vor, was selbst das
Gesetz milder beurteilen würde! Um so freudiger darf
doch das Vaterherz Milde üben!'
,So?' lachte es herb — und es war, als käme dies
Lachen aus den Blättern des Strafgesetzbuches, das neben