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Frau Gyskra und Emmy bewährten sich in dieser
traurigen Zeit als Angehörige jener weiblichen Engelschar,
deren heldenhafte Natur erst dann zur Entfaltung kommt,
wenn die Wucht des Geschicks die Starken und Weisen fast
schon zu Boden geschmettert hat.
Kein Wort der Klage kam über die Lippen der Mutter,
die ihren Sohn doch ebenso liebte, wie Gyskra. Sie
teilte sich mit Emmy und Frau von Beresow in die Pflege
der Kranken, — und fand daneben noch Zeit, sich ein»
gehend ihrem Gatten zu widmen, ihm die Stirne zu
kühlen, seine Gedanken, die immer wieder auf den einen
entsetzlichen Punkt sich einbohrten, mehr und mehr zu be-
schwichtigen. Aus dem Born ihres liebenden Herzens
schöpfte sie die unglaubliche Fähigkeit, betreffs Hellmuths
eine Ruhe und Zuversicht zu erheucheln, die sie leider nicht
fühlte. Nach Allem, was sie gehört hatte, hielt sie ja
ihren Sohn keineswegs einer ernstlichen Unthat für schuldig.
Die Erfahrungen aber aus dem Prozesse Lichert hatten
ihr ganzes Vertrauen erschüttert und ihr Bangen vor
dem Apparat der Iustiz in ein fast überirdisches Grausen
verwandelt. Trotzdem lächelte sie, wenn Herr Gyskra
seine Besorgnisse äußerte. Sie suchte ihm abzustreiten,
was ihr doch selbst wie eine furchtbare Ahnung über der
Brust lag. Sie schaffte Zerstreuungen. Sie litt nicht, daß
ihr Gemahl sich einsargte, als habe er die Begegnung
mit den Menschen irgend zu scheuen.
Ganz ähnlich benahm sich Emmy und mit ihr Professor
Lehr, den das Unglück der Gyskras plötzlich aus seiner
schweigsamen Art herausriß, wobei sich hinter den etwas
steifbeinigen Schrullen des Fachgelehrten ein treues, starkes
und warmfühlendes Herz enthüllte. Als Herr Gyskra in
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