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— ,gerade jetzt! Oh, meine Ahnung!' Dann plötzlich,
eh' ich mich selber noch von dem Schrecken erholt habe,
greift er in seinen Rock und kramt drin herum und hält
mir zitternd etwas entgegen. ,T>a, nehmen Sie! —
Zweihundert Mark! — Mehr hab' ich nicht bei mir!
Gehn Sie, bei allem was heilig ist, und verraten Sie
nichts!' — Wie mir da plötzlich wurde, kann ich nicht
aussprechen. Sie, Herr Gerichtsrat, mögen ja glauben,
der liebe Gott kümm're sich nicht um so schlechte Patrone,
wie ich einer bin! Aber ich dachte: ,Wer weiß! Bereut
hab' ich ja die Geschichte schon hundertmal, und der liebe
Gott in seiner Allweisheit und Güte drückt vielleicht eh'r
mal ein Auge zu wie die Geschwornen!' Allerlei Dinge
sielen mir ein, die mir die selige Mutter in ihrer letzten
Krankheit erzählt hat. — Die selige Mutter war eine
fromme Frau, Herr Gerichtsrat, und mich, ihren Christian,
hatte sie lieb, wie nichts auf der Welt! — So hab' ich
mir's eingeredet: den Herrn da mit den zweihundert
Mark schickt dir die Mutter; die hat droben beim lieben
Herrgott Fürsprach gethan, du hättest genug gelitten und
solltest dein junges Leben nicht so vertrauern. — Kurz,
ich nahm die zweihundert Mark, sagte noch: ,Nein, ich
verrate Sie nicht/ und ging dann weiter nach Klingsberg.
So, nun wissen Sie's!"
Leo von Grolmann hatte während der ganzen Erzäh»
lung den Beschuldigten nicht aus dem Auge gelassen. Die
Überzeugung war ihm gereift, daß man es hier mit
einem höchst abgefeimten Verbrecher zu thun habe, der die
Offenherzigkeit und Plumpheit nur heuchle.
Es entstand eine Pause. Der Protokollant schrieb
mit siebrischem Eifer, denn diese Mitteilung Licherts war