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zeugnis bei sich. Es waren dieselben Persönlichkeiten,
die draußen schon vor dem Iustizpalast die Aufmerksam-
keit der Gaffer erregt hatten, woran vornehmlich die
kirschbraun und saatgrün umwobene Korpulenz der Mama
schuld war.
Balduin Teutschenthal war einer Ohnmacht nahe. Er
hatte das Mädchen sofort erkannt. Das war das näm»
liche runde Gesicht mit den großen blinzelnden Augen,
die ihm so übermütig entgegengelacht, als er im Taumel
seiner allzu begeisterten Seid»umschlungen»Millionen-Stim»
mung die dralle Sängerin angesprochen! — Weshalb ging
sie auf seine Thorheiten ein? Weshalb that sie, als ob
auch ihr das Herz weich würde im Geblinke des Mond»
scheins? Die elende Kreatur! Die falsche, niederträchtige
Schlange! Er begriff nicht, daß er dies Alltagsgeschöpf mit
der häßlichen Stumpfnase jemals erträglich, geschweige
denn hübsch gefunden. Freilich, der Sekt, der Burgunder,
die herzzersprengende Seligkeit über die großen Er»
öffnungen der Gräsin Rödbroge. . , O, diese liebenswürdige,
in puncto moruu, so unerbittliche Gräsin! Wenn sie jetzt
ahnte, was in der Seele ihres gemarterten Schützlings
vorging! Wenn ein Dämon ihr zuraunte: die ordinäre
Plebejerin da mit der saatgrünen Mutter hat für Minuten»
lang den zukünftigen Freiherrn Alles vergessen lassen, was
er dem Standpunkt seiner erlauchten Gönnerin, ihrer echt»
adligen Vornehmheit, ihrem echt«weiblichen Taktgefühl
schuldig ist! . . . Wie ein Verfolgter, der sich zur Seite
duckt, wenn feine Häscher vorüberkommen, hielt der Mann
aus dem hehren Geschlechte Derer von Teutschenthal seinen
Atem an und verkroch sich, halb zusammengerollt, hinter
dem Rücken des Obersten.