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Stegemann, der cynische Zweifler, ihn des Heimlichen
Suffs' bezichtete. Weshalb sollte man diese Iugendblüte
durch den ergrauenden Bart Lügen strafen . , .?
Auch Balduin Teutschenthal stand auf der Liste der
Hauptgeschwornen; auch er hatte — ein seltsamer Parallelis»
mus! — beim Ober»Staatsanwalt, der ihn zwar nicht
für sonderlich intelligent, aber für äußerst gerecht hielt,
erfolglos um seine eventuelle Ablehnung nachgesucht. Nun
wollte sich Balduin trotz seiner augenscheinlichen Rüstigkeit
krank melden; denn zuvor noch bei Doktor Kretschmar
einen Versuch zu machen, — davon hielt ihn ein dunkles
Gefühl ab. Nach längerem Schwanken gab er auch die
geplante Krankmeldung auf. Er wußte nicht, ob er dem
Hausarzt trauen durfte; der Mann besaß einen diagnostischen
Scharfblick. . . Geradezu auffällig aber wär' es gewefen,
hätte er einen fremden Arzt mit der Sache behelligen
wollen...
Ietzt machte er aus der Not eine Tugend. Es war
ihm ja peinlich gewesen, außerordentlich peinlich . , .
Andrerseits aber regte sich ihm ein dämonischer Drang,
bei der Erledigung dieses Prozesses thatkräftig mitzuwirken.
Ia, es war doch vielleicht gut...! Er mußte zugegen
sein, wenn man über den Menschen da aburteilte; denn —
sein Gerechtigkeitssinn haßte den Strolch, der da bei Nacht
und Nebel in dem sonst so sicheren Gothengehölz die
Ahnungslosen hinterrücks übersiel, wie der Satan die
armen Seelen . . ,
Zwei Minuten vor neun rollte die Droschke des Ver-
teidigers vor.
Doktor Kretschmar hatte sich etwas verspätet.
Der Prozeß war so wichtig, so entscheidend, nicht