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berührte sie mehr: weder der Zorn ihres Vaters, noch
die Angst um das Schicksal Hellmuths, noch das Weh um
ihre fürchterliche Enttäuschung . . . Vor ihren Augen
blitzte und tanzte es . . . Die Schneeflocken, die hernieder
schwebten, nahmen absonderliche Gestalten an; sie leuchteten
wie fallende Sterne; sie sangen und klangen, — und
deutlich hörte sie die sanft»eintönige Melodie jenes unoer»
geßlichen Liedes heraus, mit dem die verstorbene Mutter
sie einst in den Schlaf gesungen.
Da rührte eine robuste Hand ihr die Schulter.
Es war Grete, die Köchin, die im frischgefallenen
Schnee die Fußspuren der Unglücklichen verfolgt hatte.
„Gnädiges Fräulein! Sie holen sich hier den Tod!"
Blöd' lächelnd blickte Sascha sie an.
„Was schadet's?"
„Um Gottes willen, kommen Sie zu sich! Es wird ja
Alles noch gut werden. Stehn Sie nur auf! Ich bringe
Sie schon wo unter, bis der Papa wieder ruhig ist. Man
muß ihm nur Zeit lassen."
Sascha erhob sich. Schwankenden Schrittes folgte sie der
getreuen Grete zur Pferdebahn.
„Wo willst Du mich hinführen?"
„Zu einer Verwandten von mir, einer schlichten, ge-
wöhnlichen Frau; aber brav und verschwiegen. Sie
braucht ja auch gar nicht einmal Ihren Namen zu
wissen..."
Sascha atmete schwer.
„Nein," sagte sie stolz,' „ich verstecke mich nicht!
Das sähe ja aus, als hält' ich ein Unrecht begangen."
„Ia, so bedenken Sie doch . . . Schon des Herrn
Vaters wegen! Dem wird's ja in Kürze schon leid werden.