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man kommt sich da näher. Wir standen wie Bruder und
Schwester."
Auch mehrere andre von den Belastungszeugen färbten
unbewußt ihre Aussagen in einem für Lichert sehr bedenk»
lichen Sinne. Der Kurzwarenhändler, bei dem der An»
geklagte das Messer gekauft hatte, sagte sogar mit Be-
stimmtheit aus, er habe beim Anblick des verwahrlosten
Menschen ein unheimliches Gefühl gehabt, die Ahnung
gleichsam: der trägt sich mit Mordgedanken.
Als der Präsident gegen zwei Uhr die Mittagspause
verkündete, war der Eindruck im Publikum allgemein der:
die Sache steht für Lichert verzweifelt.
Auch der Wiederbeginn der Verhandlungen führte
einstweilen noch keinen erheblichen Umschwung herbei.
Zunächst wich das Parere des von der Verteidigung
vorgeschlagenen Sachverständigen Geheimrat Welck, des
gefeierten Anatomen und Osteologen, nicht sehr wesentlich
von der Auffassung des Gerichtsarztes Doktor Paulitzky ab.
Ein dumpfes Raunen ging durch das versammelte
Publikum, als der bis dahin mit einem dunklen Tuche
verhüllte Schädel des Opfers entblößt und von dem
Gerichtsarzt wie bei einem Katheder»Vortrag in die
hageren Finger genommen wurde. . .
Neben dem Schädel lagen die übrigen Beweisstücke —:
die Börse Burckhardts mit den wenigen Münzen, der Hut,
der Eichenknüppel, mit dem der tätliche Streich vollführt
fein sollte.
Der Gerichtsarzt hatte mit der ihm eignen apodik»
tischen Vornehmheit auseinandergesetzt, daß die splitternde
Einbuchtung an der Schläfenstelle ganz unzweifelhaft von
der unregelmäßigen Fläche des Knorrens herrühre, der in