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von dem neuen Iudicium gegen Lichert die Rede war,
und Frau Doktor Altenhöfer die drastische Wendung vom
Geköpftwerden gebraucht hatte.
Der Ober » Staatsanwalt bedurfte der Anstraffung
aller Nerven, um fortzufahren:
„Ich wollte mir felbst dort die Antwort holen. Aber
ich fand nichts."
Hellmuth bebte. Erst nach geraumer Zeit fand er
die Kraft zu einer passenden Gegenrede.
„Wenn ich Dir dienen kann — gern," sagte er hastig.
Er hatte das grausenhafte Gefühl, im nächsten Moment
werde der Vater aus feiner eigentümlichen Ruhe heraus»
treten und ihm zudonnern: ,Ich weiß Alles! Du führst
die Iustiz nun seit Wochen in der Irre umher; Du
lassest einen Unschuldigen Todesangst leiden: aber nun
bist Du entlarvt!'
Nichts dergleichen geschah. Der bejammernswürdige
Vater hatte jetzt freilich genug gesehn; der letzte Zweifel
war ihm getilgt. Dennoch hielt er mit übermenschlicher
Anstrengung Stand, würgte das Weh, das ihm bis in die
Kehle stieg, ohne den leisesten Seufzer hinunter und
fetzte sich vor den Schreibtisch, als wolle er nochmals
genau den Punkt, der ihm unklar geblieben, ins Auge
fassen.
Hellmuth indes griff nach dem Glase, das halb geleert
neben der Flasche stand.
„Du erlaubst doch, Papa?" sagte er mit veränderter
Stimme.
Er trank und fügte dann, etwas ruhiger, hinzu:
„Ich bin den langen Weg von der Nordvorstadt
her zu Fuße gegangen und durstig geworden."