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zianischen Meisters erinnerte, wechselte fortwährend die
Farbe.
Nach Frauenart hielt dieses Mädchen, das offenbar
für Burckhardt ein tieferes Interesse empfunden hatte,
sich für berechtigt, Alles, was gegen den Mörder fprach,
thunlichst stark zu betonen, damit der ruchlose Unmensch
ja nicht etwa seiner verdienten Strafe entgehe.
Vier Tage vor dem Verbrechen war sie dem Künstler
begegnet. Sie sah ihn noch vor sich, wie er über die
Kreuzstraße quer auf sie zukam und ihr mit freundlichem
Gruße die Hand bot. Bei der Erinnerung an diesen
letzten beglückenden Händedruck führte sie ihr Taschentuch
an die Augen. Burckhardt, der sonst so häusig nach Ober»
londorf kam, hatte sich während der letzten Wochen nicht
blicken lassen. Er war so fleißig und mußte das kurze
Tageslicht ausnützen. Da sie nun scherzend erwiderte:
.Ach, das reden Sie so!' — gab er zur Antwort: .Nein,
weiß Gott, ich war kolossal beschäftigt; dieser Tage jedoch
sprech' ich mal vor.' Er hatte sonach ganz zweifellos
in der Südvorstadt etwas zu thun gehabt und war dann
just im Begriff gewesen, auf dem kürzesten Wege — denn
die Chaussee bog weit um — nach Oberlondorf zu eilen,
ohne in seiner Arglosigkeit zu ahnen, daß schon der
Mörder die Keule schnitt, die ihn zerschmettern sollte.
Auf die Frage des Präsidenten, ob sie mit Burckhardt
etwa verlobt gewesen, ward sie rot bis in ihr prächtiges
Haar hinauf und sagte dann leise:
„Nein. An so etwas hat Herr Burckhardt wohl über»
haupt nicht gedacht. Er lebte nur seiner Kunst, — und
so kam es auch, daß wir befreundet wurden. Er hat
mich gemalt und gezeichnet, — und wie's so geschieht: