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des eignen Kindes bangt, sich in einem Zustand seelischer
Irritation besindet, der die moralische Zurechnungsfähigkeit
ausschließt, oder doch in erheblichstem Maße beeinträchtigt.
„Hiervon abgesehn, enthält Ihre Darlegung mehrere
sachliche Irrtümer, von denen schon einer genügen würde,
um die Anwendung von Paragraph 344 des Reichsstraf-
gesetzbuches vollständig auszuschließen.
„Erstens war Ihnen die Unschuld Licherts durchaus
nicht .bekannt'; Sie hatten nur einzelne Anhaltepunkte, diese
Unschuld für wahrscheinlich zu halten. — Wenn aber die
Staatsanwaltschaft jedes Mal dann ihre Funktionen ein-
stellen wollte, wenn die Unschuld des Angeklagten wahr-
scheinlich ist, so wäre dies ein empsindlicher Nachteil für
die allgemeine Rechtssicherheit; denn eine solche Vermutung
kann ebenso gut eine irrige sein, wie die Vermutung der
Schuld. — Erst die Hauptverhandlung soll, unter ängst-
licher Abwägung aller Momente, den wirklichen Sachver-
halt eruiren. — Genau so wie die Geschwornenbank sich
betreffs der vermeintlichen Schuld Licherts getäuscht hat,
genau so konnten auch Sie betreffs der Schuld Ihres
Herrn Sohnes sich täuschen. Nur wenn Sie Ihren Herrn
Sohn zur Rede gestellt und aus dem Munde des jungen
Mannes ein offnes Bekenntnis empfangen hätten, nur
dann könnte davon die Rede sein, die Unschuld Licherts
sei Ihnen .bekannt' gewesen.
„Zweitens aber scheint es mir außerordentlich fraglich,
ob ich selbst in diesem — nur angenommenen — Falle
auf Grund des Paragraphen 344 gegen Sie vorgehen
könnte. Der Paragraph bedroht denjenigen Beamten mit
Strafe, der vorsätzlich zum Nachteil einer Person :c. lc.
die Eröffnung oder Fortsetzung einer Untersuchung beantragt