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Wie durch schwer wallende Vorhänge hörte sie jetzt
die Stimme des Untersuchungsrichters . . . Herr Elmshorn
erklärte, daß er den Aussagen dieser Mathilde Solf keinen
besonderen Wert beimesse. Dann ließ er die Depositionen
Sascha's verlesen und forderte das gnädige Fräulein auf,
ihren Namen darunter zu setzen.
Sie unterzeichnete — und verließ dann mit kaum be»
merkbarem Gruße das Zimmer, wo sie ihr Lebensglück für
immer begraben hatte.
Als sie die Straße betrat, war ihre erste Empsin-
dung: ,Fort! Von alledem nichts mehr wissen und hören!'
Aber sie war ja noch nötig in dem peinvollen Drama,
das sich demnächst abspielen würde; sie mußte bleiben und
abwarten; sie mußte, den Tod im Herzen, ruhig ihre
Pflicht thun. Nicht einmal den Verkehr mit Emmy konnte
sie abbrechen, trotz der Qual, die sie beim Anblick seiner
Schwester empsinden würde; sie durfte das nicht, wenn sie
nicht zeigen wollte, wie die Enthüllungen von vorhin ihr
die Seele verwüstet hatten.
Als hätte sie selbst ein Verbrechen begangen, stürmte
sie wild in die Nacht hinaus. Sie kam sich so ehrlos
vor, so entweiht und verraten! Was sollte die Welt, was
sollte ihr Vater nun von ihr halten? — Ein Mensch,
der heimlich bei ihr aus dem Fenster sprang — und
gleichzeitig mit der Verkäuferin von Otusch und Felgentreff
Beziehungen unterhielt . . . Beziehungen ... oh, die
Schande war ja nicht auszudenken! Am liebsten wäre sie
gleich nach dem Fluß gerannt und hätte ihr Weh in der
kalten, rauschenden Flut begraben.
Und weiter hastete das verzweifelte Mädchen von
Straße zu Straße, bald durch das dichteste Menschen»