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traf, war kein herzloser Bube! Es stand zweifellos fest,
daß Hellmuth, eben so gut wie er selbst, mit aller Be-
stimmtheit die Freisprechung Licherts vorausgesetzt hatte.
Das entschuldigte doch halbwege sein Schweigen bis zum
Augenblick der Verurteilung! Sobald aber das Uner»
wartete eintrat, sobald das Ia der Geschwornen erschollen
war, hatte ja Hellmuth keine Sekunde geschwankt und sich
selbst der Iustiz überliefert!
Dieses Bewußtsein, das sich von Tag zu Tag stärkte,
lieh dem Ober »Staatsanwalt Kraft und Mut in der
Fehde, die er zu führen hatte, Kraft und Mut auch im
Hinblick auf das Entsetzliche, das noch bevorstand: die
Hauptverhandlung vor dem skandalfrohen Publikum, die
Hauptverhandlung in demselben Gebäude, wo er so
hundertmal als Vertreter des beleidigten Rechtes ge»
sprochen, und wo er demnächst, einem Bettler gleich, vor
der Thür warten sollte, bis ihm ein Bote die Nachricht
brächte: .Freigesprochen!' oder: ,Verurteilt!'
Das Bild dieser Hauptverhandlung nahm zuweilen die
Hartnäckigkeit einer sixen Idee an . .. Immer sah er
sich dann gebeugt und der Worte unfähig im Vestibulum,
halb ohnmächtig der Entscheidung entgegen harrend ...
Wenn er bei diesem Schlußpunkte angelangt war, schmähte
er sich und warf sich mit wilder Entrüstung Feigheit und
Schurkerei vor.
War das ein richtiger Vater, der aus elender Scham
vor den Blicken der Menge abseits blieb, wo Glück und
Zukunft des eigenen Sohns auf dem Spiele standen? Galt
nicht vielmehr der Vater kraft eines höchsten Gesetzes für
den natürlichen Ratgeber und Verteidiger?
Und wenn nun durch Zufall, durch das Ungeschick des