— 156 —
Humors: dem Elend, dem beginnenden Wahnwitz mußte
der fröhliche Übermut Schauder einflößen.
Trotz dieser Erwägung sah er sich plötzlich vor der
Thüre des Kaffeehauses.
Auch das flößte ihm Staunen ein.
Er ward sich jetzt klar darüber, daß er sich in dem
Zustand einer völligen Willenslosigkeit befand — nicht
nur, was jene fürchterliche Hauptfrage betraf, die ihn heim»
lich zerfolterte, sondern ebenso sehr bezüglich der unbedeu»
tendften Einzelhandlung. Das Schicksal, das ihn vor die
entsetzliche Wahl zwischen zwei Entschlüssen gestellt hatte,
von denen jeder ihm gleich unmöglich erschien, hatte die
einst so unbeugsame Energie des Mannes gelähmt. Da
er weder den Schuldlos»Verurtcilten preisgeben, noch auch
den eignen Sohn — und mit ihm sich selbst — denuncieren'
konnte, so konnte er überhaupt nichts mehr. Sein Ich
reagierte nur noch auf Reize, nicht auf Motive; er that,
was er mußte, starr und bewußtlos, und wie geleitet
von einer außer ihm stehenden Macht.
Ein dunkler Instinkt hatte ihn nach dem Kaffeehause
geführt, und nun drückte er auf die Thürklinke, wie so
manchmal zuvor, und setzte sich und forderte von dem
Kellner Thee und die .Leipziger Illustrierte' . . . Alles
genau wie sonst!
Hinter den Flaschen und Kuchentellern des breiten
Büffets stand auch Franziska Stclzner, die Zeugin aus
dem Brandstiftungs»Prozeß.
Mit unsäglicher Bitternis weilte der Blick des Ober»
Staatsanwalts, über den Rand der Zeitung hinausstierend,
auf der Gestalt des Mädchens, das, wie er in seiner urteils-
losen Verzweiflung sich vorsprach, der Urquell dieses unsag»