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Meinung Aller auch nicht der leiseste Hauch einer Verant»
wortlichkeit an ihm hafte. Einen Fackelzug allerdings
könne man einem so jungen Manne nicht bringen.
Obgleich sogar schon Frau Gyskra, deren ängstliches
Feingefühl sehr leicht einem Skrupel zugänglich war, über
die Angelegenheit vollständig abgeschlossen, that es der
ganzen Gesellschaft doch wohl, aus dem Munde eines
so frischen, gesunden, dazu noch wirklich unparteiischen
Menschenkindes ein solches Wort zu hören. — Hellmuth
drückte dem Iüngling dankbar die Hand; der Oberst, der
dem Rauenthaler vielleicht ein wenig zu eifrig zugesprochen,
nannte ihn einen famosen Kerl und rief ihm das klassisch
gefärbte Wort zu: ,Wär' ich nicht königlich preußischer
Leutnant gewesen, ich hätte Student sein mögen!'
Nur Sascha verhielt sich auffallend schweigsam. Ihr
blasses Gesicht mit den tiefschwarzen Augen und der über-
quellenden Fülle der Stirnlocken hatte zwar immer noch
jenes Meernixenhafte, aus Glut und Kälte Zusammen»
gewobne, was gleich bei der ersten Begegnung auf Hell»
muth einen so seltsamen Eindruck gemacht: aber das
Nordisch»Kühle kam jetzt ungleich entschiedne r zur Geltung,
als früher.
Unterdeß saß der Ober»Staatsanwalt wie ein Ver»
störter in seinem Zimmer. Der heutige Tag brannte ihm
auf der Seele wie höllisches Feuer. Hätte man ihn wegen
des traurigen Zufalls, der seinen Sohn unter die An-
klage eines Verbrechens gestellt, grausam gehöhnt, er hätte
das leichter ertragen, als diesen Überschwang von Sym-
pathien und Ehrenbezeugungen.
„Die Wahrheit!" murmelte er von Zeit zu Zeit vor
sich hin. „Die Wahrheit. . .!"