— 112 —
Unwillkürlich machte er eine leise Verbeugung. Auch der
Gutsbesitzer, ein alter Phlegmatikus, der schon jetzt mit
dem Gähnen kämpfte, war sichtlich erfreut. Der Tischler
dagegen that höchst beleidigt, zuckte aufgeregt mit den
Achseln und brummte ein Wort in den Bart, das ihm
leicht einen unangenehmen Prozeß hätte zuziehen können.
Bei der fünften Auslosung sagte der Ober»Staats-
anwalt: „Angenommen!" —
Nun aber lehnte Doktor Kretschmar ab.
Ter Sechste, ein scharfsinniger Iurist und Kollege
Kretschmars, ward von der Staatsanwaltschaft wie von
der Verteidigung gut geheißen. Dann folgten vier weitere
Ablehnungen, bis endlich der Name des Obersts von Rheuß
aus der Urne stieg.
Erleichtert atmete der Ober»Staatsanwalt auf. Mit
jeder Niete, die man gezogen, war ihm fchwüler und
bänger geworden. Bei allen Sorgen und Kümmernissen,
die ihn bedrückten, fühlte er sich auch durch den Umstand
entwürdigt, daß hier, ungeahnt von dem Publikum wie
von den Richtern, ein furchtbares Spiel in Scene ging,
eine dem Ernst seines Amtes schroff widersprechende Lotterie,
bei der er sich unwillkürlich den Kopf des Angeklagten
als Einsatz dachte.
Nachdem die Bildung der Geschworenenbank nun ohne
weitere Zwischenfälle erfolgt war, wurden die Zwölf-
männer von dem Vorsitzenden vereidigt.
Ter Präsident, ein strenger, düster blickender Herr
von schwer zu taxierendem Alter, richtete mit eintöniger,
aber deshalb vielleicht um so wirksamerer Stimme die
vorgeschriebenen Worte an die Gewählten. Eine feierliche
Stille herrschte im Saal, da er anhub: