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oder beschließt. Sie vergessen jedoch, daß die Strafkammer
längst die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen hatte,
als sich die ersten flüchtigen Skrupel bei Ihnen regten.
„Sollten Sie schließlich trotz meiner Darlegungen
unter dem Eindruck verbleiben: ,das Gesetz gibt mich
frei, aber ich selbst verzeihe mir nicht' — (und wie ich
Sie kenne, liegt diese Möglichkeit nahe) —: so übertragen
Sie Ihrem alten Collegen ausnahmsweise die Rolle eines
Verteidigers, der vor dem unerbittlichen Tribunal Ihres
Herzens mildernde Umstände predigt und einen sehr ver-
nünftigen, sittlich unanfechtbaren Rat hinzufügt.
„Die mildernden Umstände quellen in reichster Fülle
aus dem von Ihnen selbst ja betonten Faktum, daß Sie
auf Grund der vorhandnen Beweismittel fest überzeugt
waren, der Raubmord » Prozeß gegen Lichert werde mit
dessen glänzender Freisprechung enden.
„Der Ratschlag aber besteht in dem Hinweis auf die
uralte These, daß die würdigste Reue die That ist, — die
verdoppelte Anstrengung für alles Vortreffliche, Wahre
und Edle. Wenden Sie auf Ihren Gemütszustand mutati»
Nutauäis die Verse an:
,Ein mutvoll treues Wirken
Ist besfte Sühne, als ein feiger Gram!'
„Es bedarf wol keiner besondern Versichrung, daß
ich die Correspondenz, die wir in. dieser Sache geführt
haben, als vertraulich betrachte; denn, wie gesagt: vor
Gott und meinem Gewissen sinde ich kein Motiv zu einer
amtlichen Handlung.
Mit collegialischem Gruß
Ihr Sie herzlich verehrender
F. G. Freiherr von Oldendorf."