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die Damen. „Ich zähle hier zu jenen lockenden Buben,
von welchen die Bibel spricht ... Ia, ja, gnädige Frau,
es hat Momente gegeben, in welchen Sie mich als den
Verführer Hellmuths gebrandmarkt haben. Dergleichen
fühlt man heraus. Aber ich tröste mich im Bewußtsein,
daß ich besser bin als mein Ruf."
Frau Gyskra kam sich wirklich etwas beschämt vor.
Dieser Stegenmnn hatte trotz des Hauches von Unheimlich»
keit, der ihn umschwebte, etwas so Liebenswürdig»Bestechen-
des, daß man ihm — bei aller Beklemmung, die man
empfand — nicht gram fein konnte. Das waren noch
nicht die Schlimmsten, die sich so offen zu ihren Mängeln
bekannten! — Und sein ritterliches Benehmen, seine
ungekünstelte, frische Beredtsamkeit! Er gehörte halt zu
den Leuten, die man nicht ausstehen mag, solang man
von ihnen hört, und die alsbald über das eingefleischteste
Vorurteil triumphieren, wenn man sie sieht.
Auch Hellmuth fühlte sich wieder im Banne dieser
Persönlichkeit. Sofort sagte er Ia.
„Gefällt's uns nicht bei den Bergfexen," fügte Ottfried
hinzu, „so wandern wir nach dem Apollosaal."
„Was gibt's dort?" fragte der Ober»Staatsanwalt.
„Volk, Pöbel, Hefe, Revolutions»Material! Haben
Sie nicht die Plakate gelesen? Große Vorbesprechung der
Maurergesellen! Ein Streik in Sicht! Wer seine Zeit
verstehen will, muß sie dort aufsuchen, wo sie am trübsten
ist. — Hellmuth und ich, wir interessieren uns beide ganz
außerordentlich für die Sphären, mit denen man in der
guten Gesellschaft nicht in Berührung kommt. Wir gleichen
hierin den Malern, die lieber Gänsemädchen und Bettel»