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beklext, zerknüllt, mit Karrikaturen besä't. Kurz, das reizende
Mädchenheim, das immer so vornehm und traulich zugleich
gewesen, atmete eine verdrießliche Unordnung. — Sascha
konnte nicht sticken, nicht lesen, nicht schreiben, — und
doch verzehrte sie ein grenzenloses Bedürfnis nach Thätig»
keit, der Drang, irgend etwas zu leisten, was die unsägliche
Ödigkeit ihrer Stimmung betäuben, den quälenden Schwall
ihrer Gedanken ablenken konnte.
Am fünften Tag in der Frühe hatte sie das Gefühl:
Du hältst es nicht länger so aus. Sie, der freigeboreue,
lustige Vogel, der von Iugend auf keine Fesseln gekannt,
der frisch und froh durch Wälder und Felder geschweift
war, saß nun hier wie im Käsig, um eines Irrwahns, um
einer grausigen Laune willen! Und zu alledem die ent»
schliche Last ihrer Befürchtungen, ihrer Erlebnisse, ihrer
gestorbenen Hoffnungen!
Den Morgenrock umgeworfen, das schwarze Haar nur
flüchtig geknotet, trat sie ans Frontfenster und riß, trotz
der eisigen FebruarkMe, beide Flügel auf.
Gott fei Dank, das war doch der Himmel da draußen,
die Luft, der Schnee! — Er lag jetzt fußhoch, — und
das einförmiggraue Gewölk, das keine Sonne hindurch
ließ, versprach noch mehr für den Tag.
Da ging die Hausthüre.
Grete, die Köchin, tappte vorsichtig auf die hochüber»
schneiten Stufen, die erst hier und da eine Spur mensch»
licher Tritte zeigten. Mit breiter Holzschaufel fegte sie
Bahn, erst auf den Stufen, dann auf dem Weg nach der
Gartenthür. — Friedrich, in dessen Ressort dies eigentlich
siel, war seit mehreren Tagen auf Urlaub. Gerade weil
sich der Oberst in so wütender, weltfeindlicher Stimmung