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Taschentuch, strich sich über die Stirn und die Augen und
sagte zu Emmy, die neben ihm saß:
„Ich sinde es unerträglich heiß hier! Könnten wir
nicht im Salon ein Fenster öffnen?"
„Heiß?" wiederholte die Mutter. Sie trat zu dem
Thermometer. „Fünfzehn Grad! Du bist einfach nervös,
Hellmuth! Du übertreibst wieder deine Arbeit. Übrigens
können wir ja nebenan die Balkonthür öffnen."
„Das Gas heizt so," murmelte Hellmuth. „Man
sitzt hier unmittelbar unter den Glocken."
„Trink' einmal, Iunge!" sagte Herr Gyskra. „Bei
Gott, das war ja fast wie ein Schwindelanfall."
„Kenne das!" sagte der alte Chemiker. „Nichts er-
schöpft so prompt und so folgerichtig, wie die unausgesetzte
Beschäftigung mit ein» und derselben Idee. Ihre Mama
hat recht: Sie sind zu fleißig, Herr Doktor! Damit allein
wird's nicht geschafft. Der Geist muß auch frisch und
elastisch bleiben, und das erreicht man nur durch die Selbst-
beschränkung! Ich war ja selbst so herunter — na, ich
hab's Ihrem Papa neulich erzählt. Keinen Brief konnte
ich öffnen ohne Herzklopfen, keine Retorte fehn, ohne das
dumpfe Gefühl: ,Du mußt an der Wand hinauf! . . .'
Eile mit Weile, — das paßt nirgends so sehr, als in der
Wissenschaft! Der Geistesarbeiter braucht erst recht seinen
Normaltag, den er nicht überschreiten darf. Suchen Sie
wieder mehr die Zerstreuungen auf! Abends nach Tisch
sollte ein Mann Ihres Alters überhaupt Schicht machen.
Das Schaffen und Grübeln bis in die Nacht hinein ist der
Urquell der Neurasthenie. Wie gesagt: ich selber singe
ein Lied davon.. . nicht wahr, Lotte?"
„Das wissen die Götter!" seufzte Frau Altenhöfer.