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selbst, „daß er mir stets nur die Nachtseiten des Lebens
vor Augen führt! Systematisch untergräbt er mir jeden
Glauben! Und streng genommen dank' ich's nur ihm, daß
ich jetzt so verstört und zerrüttet bin! Wäre nicht Ottfried
gewesen, ich hätte mich nie so plump über Sascha ge-
täuscht, nie wie ein Tempelschänder ihr Zimmer gestürmt, —
und Alles, Alles stünde nun anders!"
Er klomm die Treppe hinan und trat in den großen
Saal, wo das Orchester jetzt eben nach kurzer Pause die
immer wieder begehrte Kreuzpolka anstimmte. Die Pe»
troleumlampen des riesigen Kronleuchters qualmten ent-
setzlich; die Blechmusik dröhnte; der Rauch schlechter
Cigarren lagerte schichtweise über den Tanzenden.
Rechts auf der Estrade stand eine Reihe von Tischen,
mit liebenden Pärchen besetzt, die sich hier außerordent-
lich wenig Zwang auferlegten. Die meisten hielten sich
bei den Händen oder umschlangen sich, oder tranken, zärt-
liche Blicke wechselnd, gemeinschaftlich aus dem nämlichen
Glase.
Am dritten Tische saß, auffallend durch geschmackvolle
Kleidung und ein Benehmen, das nicht so plebejisch war,
wie das ihrer Nachbarinnen, ein Mädchen mit einer hoch-
roten Schleife im Haar. Eifrig, aber nicht eben zudring-
lich, sprach sie auf einen flotten Husaren ein.
Die Kopfform und die Linie der Wange weckte in Hell-
muth eine Reminiscenz. Als sich das Mädchen jetzt zu-
fällig umsah, erkannte er sie: die hübsche Verkäuferin von
Otusch und Felgentreff, die halb schon vergessne Mathilde.
Auch er war bemerkt worden; das bewies ihm der
eigentümliche Ruck, mit dem sie sofort ihr Antlitz wieder
hinwegwandte.