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ihm bestellten Rechtsbeiftandes irgend etwas versäumt
wurde, was den Sohn hätte retten können. . .? Mußte
sich dann der Vater, der den Verhandlungen ferne geblieben,
nicht ewig die unerträglichsten Vorwürfe machen? Nicht
verzweiflungsvoll, mit einem Fluche über sich felbst, in den
Tod gehen?
Und nun reifte ihm zum so und so vielten Mal der
Entschluß, den er immer und immer wieder verworfen
hatte: die Sache des eigenen Kindes felbst zu vertreten.
Im Geiste sah er sich schon im Gerichtssaal, stolz,
mannhaft und ernst; er hörte das Iischeln der Boshaften:
,Da sitzt er, der alte, scheinheilige Patron, der jüngst
noch den Mund so voll nahm, wenn es sich um die That
eines Armen handelte, um den verzeihlichen Diebstahl eines
Verhungernden! Da sitzt er und schaut nicht auf, der elende
Pharisaer, der Andre zum Kreuz verdammte, während im
eignen Haus ihm die Sünde und Schmach gedieh ...!" —
Gleichviel! Mochten sie höhnen! Mochten sie ihn mit
Fingern zeigen, wie einen Verbrecher! Er würde trotzdem
zur rechten Zeit aufstehn; er würde, wenn der Iustizrat
Berger — der Verteidiger Hellmuths — gesprochen hätte,
das Wort ergreifen und sagen: Meine Herren Geschwornen!
Es ist zum ersten Mal, daß ich von diesem Platze aus zu
Ihnen rede, und ich thu' es mit blutendem Herzen. Der
Angeklagte, mein Sohn .. .'
Wenn das Ideengesvinnst, das ihn quälte, an die ent-
setzliche Stelle kam: ,Der Anklagte, mein Sohn . ..', dann
sank die Wagschale wieder abgrundtief nach der anderen
Seite. Nein, das würde er nicht überleben! Und wieder
sah sich der Unglückliche starr und stumm vor der Thür