— 183 —
wäre so über jede Beschreibung selig gewesen, wenn sie nur
einmal wieder seine Stimme gehört, einmal wieder den
leisen Druck seiner Hand verspürt hätte!
Ie mehr sie ihn jetzt entbehrte, desto milder dachte
sie über sein Ungestüm. Hellmuth war eben nicht wie die
Andern; er flog, wo die Alltagsmenschen auf endlos ge-
wundenen Pfaden empor krochen.
Eine unendliche Sehnsucht ergriff sie. Zum ersten»
male ward sie sich klar über den Zustand ihres Gemüts,
das nur in dem einen Gedanken lebte und webte: Hellmuth!
Die Hände im Schoß gefaltet, lehnte sie ihren Kopf
zurück und senkte die Wimpern, als wollte sie sagen: ,Ia,
alles Laute in mir ist beruhigt, alles Starre gelöst, alles
Wilde gebändigt. Ich, die einst so Übermütige, Tolle,
bin nun ganz Hingebung, ganz stumme Erwartung! Komm
und hole mich! Komm und zerbrich mich!'
Sie schloß jetzt völlig die Augen. Ihr Atem ging leb»
haft. Das quellende Stirnhaar, dessen Gelock ihr fast
bis zu den Brauen hing, bebte ein wenig. Die Brust
wogte. Sonst lag sie bewegungslos wie ein Bild.
Himmelblaue Visionen spielten sich hinter der locken»
verhüllten Stirne ab, Träume, so hold und verführerisch,
daß ihr die Wangen sich röteten, und ihr Mund, halb wie
zum Reden sich öffnend, die schimmernden Zähne zeigte.
Aus allen Ecken des Zimmers quoll es wie Blumen. Voll-
schwellende Rosen sanken auf sie herein, weich und betäubend,
in unerschöpflicher Fülle wie beim Festgelage eines römischen
Imperators. Sie aber erstickte nicht an der duftigen Last,
sondern schlürfte begierig ein, was die sanft brausenden
Kelche ausströmten: den Hauch zärtlicher, trunkener, bcsitzes»
freudiger Liebe.
>''