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Der Oberst trank ruhig seine Tasse aus, wobei er einige
Tropfen verschüttete.
Dann erhob er sich und sagte mit erzwungener Kalt-
blütigkeit zu Sascha, die schon während der letzten Worte
ihres Berichts neben dem Sessel gestanden:
„Komm!?
„Wohin, Vater?"
„Das wirst Du erleben. Ich habe Dir etwas zu
sagen, was ich Dir lieber allein sage, als hier in Gegen»
wart deiner Tante."
Sie stiegen die Treppe hinab.
Im Zimmer Sascha's angelangt, packte der Oberst das
junge Mädchen beim Arm und schleuderte sie mit einem
zähneknirschenden Fluch auf das Sopha.
Im Herzen Sascha's bäumte sich etwas auf, was sie
bis jetzt nicht gekannt hatte. Wäre sie noch die glückliche,
sonnige Sascha von einst gewesen, sie hätte die wüste
Rauheit dieser Behandlung vielleicht verschmerzt; so aber,
da sie schon innerlich vor sich gedemütigt war, da sie
Alles verloren hatte, was sie einst froh gemacht, regte sich
jenes unerbittliche Selbstgefühl, das in der Brust ihres
Ahnherrn getobt hatte, und jetzt die Stirnadern ihres Vaters
anschwellen ließ, wie zornige Nattern, Auch sie gehörte
zu dem Geschlechte derer von Rheuß; auch sie besaß jenen
Trotz der Persönlichkeit, wenn er bis jetzt auch tief im
Grund ihres Mädchenherzens geschlummert hatte.
„Rühr' mich nicht an, Vater!" ächzte sie tonlos.
„Wenn Du hier denkst, ich lasse mich stoßen und prügeln,
wie ein Kind von der Gasse..."
Er trat auf sie zu, die Arme hoch über der Brust ge»