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Dann plötzlich taumelte Lichert wie ohnmächtig auf
die Bank zurück und röchelte unter glühenden Thronen
seine entsetzliche Qual vor sich hin.
Der Ober«Staatsanwalt hatte während des schreck-
lichen Auftritts ebenso gleichmütig dagesessen wie vorhin
nach Verlesung des Wahrspruchs. ,Das Alles gilt dir!'
raunte es tief im Grund seines Herzens; ruhig aber ließ
er die Schimpfreden, die Verfluchungen über sich her»
strömen, wie im Bewußtsein: ,Was liegt daran? —
Besudelt für ewig hast du dich selbst, und wenn der
Bejammernswürdige gleich vor dich hinträte und dir breit
ins Gesicht spuckte, du konntest nur sagen: ,Recht so! Ich
verdien' es nicht anders. Ich bin ein Ehrloser! . . .'
Dies Alles durchzuckte ihn: aber er fühlte es nur wie
im Traum, wie etwas Fremdartiges, das ihn selber nichts
anging.
Zu jedem Entschluß war er unfähig, obwohl er schon
vor dem rasenden Anfall des Schuldlos » Verurteilten sich
mit zermartender Anschaulichkeit ausgemalt hatte, welchen
Eindruck es machen würde, wenn er jetzt vorträte und
den Richtern zuriefe: ,Trotz alledem ist er unschuldig, und
ich, der Ober»Staatsanwalt, will's euch beweisen!'
Aber er dachte es nur. Zur Ausführung hätte selbst
dann ihm die Kraft gefehlt, wenn es sich nicht um die
Zukunft der Seinen gehandelt hätte.
Vielleicht auch schwebte ihm die Erwägung vor: ,Wenn
ich denn wirklich bekennen soll nur nicht hier,
nicht am Schauplatz einer fast zwanzigjährigen Thätig»
keit ohne Makel! Es ist ja immer noch Zeit — immer
noch Zeit!'
Lichert ward abgeführt.