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Aufschrei der höchsten Qual rang sich von seinen Lippen,
und dann ein zweiter, ein dritter, ein vierter. Es waren
Naturlaute, die entsetzlich zum Herzen drangen, — das
Klagegeheul des nackten, von allen Flittern der Civili»
sation entblößten Menschen, der um sein Liebstes bangt
und jede Kunst der Verstellung mit Füßen tritt.
Was den Beweinenswerten am Abend zuvor so nieder»
gebeugt — das Schuldgefühl, der Kampf der ethischen
Mächte in seiner Brust — das alles versank jetzt wie
schattenhaft im Abgrund diefer unsäglichen Angst. Immer
und immer wieder stammelte er zwischen den rasenden Aus-
brüchen seiner Qual: „O Gott, o Gott! Mein Hellmuth!
Mein armes, geliebtes Kind!" Und Emmy stimmte in
dieses Elend mit ein und schluchzte und wimmerte und
umschlang ihren Vater mit beiden Armen, so daß es
aussah, als stünden zwei Lebensmüde hier im Begriff,
sich vom Rand einer schwindelnden Höhe in's Meer zu
stürzen.
Frau Gyskra ließ den trostlosen Schmerz austoben.
Als Emmy sowohl wie der Vater verstummt waren und
sich erschöpft aus der krampfhaft»wilden Umarmung lösten,
sagte sie bebend:
„Erich! Willst Du mich hören? Komm, sei ein Mann!
Siehst Du, auch ich hab' ihn ja lieb, o, so lieb! Aber jetzt
ist zum Klagen und Trauern nicht Zeit! Er bedarf Deiner!
Sammle Dich! Fasse Dich!"
Der Ausbruch hatte den Ober»Staatsanwalt von dem
Druck seiner starren Verzweiflung etwas befreit. Langsam
erhob er sich, trat zu seiner Gattin heran und küßte ihr
mit einer Art ehrfürchtiger Scheu die Stirne.
„Du hast Recht, — wie immer!" sagte er dankbar.