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Brauen glomm ein verzehrendes Feuer; er hatte das Kinn
vorgeschoben und zeigte sein festes Gebiß wie ein bedrohtes
Raubtier. Die Ketten jedoch, die ihm während des Wut»
anfalls die Handgelenke beinahe blutig gedrückt hatten,
brachten ihn zur Besinnung. Seiner völligen Hilflosigkeit
bewußt, sank er laut stöhnend auf den Rand seiner Bettstatt.
„Geht nur, ich bin schon ruhig, ganz ruhig! Nein,
rufen Sie nicht den Inspektor! Das brächte mich um!
Ich werd' es schon so nicht lange mehr treiben, nein,
nicht lange mehr . . ."
„Das glaub' ich selbst," sagte der Wärter mit einer
nicht mißzuverstehenden Anspielung auf die Wahrschein»
lichkeit eines Todesurteils. „Aber stehn Sie da auf! Das
ist bei Tage kein Platz für Sie! Hier auf den Stuhl!
Und nun: kein ungebührliches Wort mehr! Sonst —
gnade Dir Gott, Kerl!"
Lichert gehorchte. Er fetzte sich an den Tisch und
nahm das Gesangbuch, das dort zur Erbauung der Ver»
hafteten lag. Der Gefängniswärter schloß wieder ab.
Lichert versuchte zu lesen, aber die Buchstaben tanzten ihm
vor den Augen. Sein Herz krampfte. Es war ihm, als
könne er keinen Finger mehr rühren.
Nach einer Weile schob man ihm die Schüssel mit
der wenig lockenden Mittagskost in die Zelle: Bohnensuppe
mit Brot.
Er genoß keinen Bissen.
Unbeweglich, an Seele und Körper gelähmt, saß er
da, bis es zu dämmern begann.
Von draußen hörte er das verworrne Gebrause des
großstädtischen Lebens. Auf einem benachbarten Hof spielten
Kinder unter Lachen und Iubeln. Eine lustige Mädchen»