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Lippen und Zunge waren ihr wie verdorrt. Sie rang
nach einem befreienden Aufschrei, der sich zum guten Glück
ihr nicht einstellte. Heiß atmend bezwang sie sich.
Der Landrichter Elmshorn lehnte sich gravitätisch im
Sessel zurück:
„Eine der beiden Zeuginnen spricht die Unwahrheit,"
sagte er scharf.
Dann zu Hellmuth gewandt:
„Ich erwarte jetzt Ihre Äußerung!"
Hellmuth warf einen 'langen, traurigen Blick auf
Sascha. Ein Zug von Weh ging über sein bleiches Ge»
sicht, — ein Hauch des Abschieds für immer.
Dann sagte er fest:
„Beide Zeuginnen sprechen die Wahrheit."
Ter Untersuchungsrichter krauste die Stirn.
„Ich muß doch bitten . . .!" rief er energisch.
Hellmuth machte eine Geberde der Abwehr.
„Ich wiederhole: beide Zeuginnen sprechen — im sub»
Mitten Sinne — die Wahrheit; Fräulein Solf aber irrt
sich. Es ist wahr: in meiner Verzweiflung hab' ich den
glücklichen Zufall willkommen geheißen, der sie mir in
den Weg führte; auch hab' ich den Abend mit ihr im
Theater verbracht. Vorher aber war ich bei Fräulein
von Rheuß in der Villa. Fräulein Solf hat sich ge-
täuscht, wenn sie glaubte, mich am Ladenfenster zu sehn;
sie hat einen Andern, Unbekannten, für mich gehalten.
Ich natürlich nährte geflissentlich diesen Irrtum; denn ich
brauchte ein Alibi. Die schauerliche Verfassung, in der
ich mich damals befand, hab' ich genügend erörtert, Herr
Landrichter ... Ich handelte sinnlos, aber ich konnte
nicht anders."
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