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zimmer; wir plaudern ein wenig. Da drüben hinter den
Säulen sind wir ja ungestört! Du siehst hübsch aus
heute, — ein bischeu bleich, aber hübsch/'
Hellmuth willfahrte ihr.
Sie blieben fast eine halbe Stunde lang in der wenig
besetzten Colonnade, tranken Glühwein und schwatzten; das
heißt: Mathilde schwatzte, und Hellmuth warf nur hier und
da eine Frage ein. Alle paar Augenblicke drückte sie ihm die
Hand; einmal sogar legte sie ihren Kopf zärtlich an seine
Schulter.
„Weißt Du, so saßen wir damals, als wir vom
Friedrichsplatz nach dem Marschalltheater fuhren; Du
hattest so lange auf mich gewartet — entsinnst Du Dich?
Wie oft hab' ich seitdem durch die Scheiben gelugt, ob
Du mal wiederkämest: aber das war das letzte Mal!"
Hellmuth, dem noch immer der Schreck der verwichenen
Nacht durch die Seele klang, fühlte sich plötzlich erstarkt.
Sein Doppelgänger von damals war also nicht wieder
aufgetaucht; nach wie vor hielt Mathilde sich überzeugt,
daß er um fünf schon im Centrum der Stadt gewesen;
der Tag war genau gekennzeichnet durch die Vorstellung
im Marschalltheater, wo ein .gefeierter Künstler' zum
erstenmal aufgetreten; sichrer und zuverlässiger konnte sein
Alibi nicht bezeugt werden.
Merkwürdig, daß er sich diesen wichtigen Punkt
während der letzten Wochen so selten ins Bewußtsein
gerufen! Die Begegnung hier in der Forstschänke war ihm
ein günstiger Wink des Geschicks. Er sollte nicht mehr
den Kopf hängen! Er sollte dies Mädchen zum Vorbild
nehmen in der flotten, verlegenheitslosen Auffassung der
Existenz, in dem rosigen Leichtsinn, der Alles umhauchte,