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ein Zwiespalt, der sich deutlich in ihrem veränderten Wesen
aussprach und einen reizvollen Hauch mädchenhafter Ver-
wirrung über sie ausgoß. In ihrer Befangenheit übersah
sie, wie stark sich das Temperament Emmy's von dem
ihrigen unterschied, wie sich eins nicht für alle schickt. Der
frische Humor, die sprudelnde Lebhaftigkeit waren ihr an-
geboren und ließen sich durch einen bloßen Entschluß nicht
aus der Welt schaffen. Allerliebst war es zu sehn, wie
sie unausgesetzt gegen ihre Natur ankämpfte, sich zur Be-
dächtigkeit zwang, ernster und langsamer sprach, und alle
paar Augenblicke, wenn ihre Einbildungskraft wärmer
erregt wurde, diesen Vorsatz vergaß. Franz Lehr sogar
flüsterte seiner Braut eine Bemerkung ins Ohr, die sich
auf Sascha's ungewöhnliche Anmut bezog. —
Wenn Hellmuth Gyskra nicht völlig von diesem Zauber
bestrickt wurde, so lag dies einzig an der gepreßten Stim-
mung, die er aus seinem Arbeitszimmer herübergebracht,
an dem schrecklichen Rückfall, dessen Ursache die Bemerkung
des alten Faktotums gewesen. Mehr denn je lag ihm
heute die Furcht vor dem Unbekannten, die vernunftlosc
Bangigkeit in den Gliedern, die sich durch keine Logik
beschwichtigen läßt.
Nach Tisch fand sich für Hellmuth eine Gelegenheit,
mit Sascha ein paar unbelauschte Worte zu wechseln. — Der
Ober»Staatsanwalt sprach mit seinem zukünftigen Schwieger-
sohn und dem Gerichtschemiker; Frau Altenhöfer und
Sascha's Tante beugten sich über ein Album' Emmy war
nach der Küche gegangen, um eine Bowle zu brauen. —
Sv stand Sascha allein am Klavier und blätterte in einem
der Liederhefte, aus denen Emmy auf allgemeines Ver-
langen nachher etwas vortragen sollte.