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Philosophie mühsam gestützt: bei dem gellenden Wutanfall
Christian Licherts jedoch war Alles mit einem Male über
den Haufen gestürzt. Der Entschluß, sich auf jede Gefahr
hin zwischen den Schuldlosen und das Schaffot zu stellen
und sich selbst der Iustiz in die Hände zu liefern, war
ihm sofort gereift, — trotz der bedenklichen Situation,
trotz der Schwierigkeiten, die ihm aus der langen Geheim»
haltung der Wahrheit erwachsen mußten; vor allem: trotz
des Parere's der beiden Sachverständigen, das einen Über»
fall zehnmal wahrscheinlicher machte, als einen Streit.
Der einst so stolze und übermütige junge Mann
stand seinem Vater jetzt gegenüber wie der schwerste Ver»
brecher. Was ihn folterte, war der Gedanke: ,Dein Vater
wird dich für einen Schurken halten — (selbst wenn er
dir in der Hauptsache glaubt) —, weil du geschwiegen und
einen Schuldlosen der Tortur einer Gerichtsverhandlung
auf Leben und Tod unterzogen hast.' Er senkte den Blick;
um seine Lippen zuckte es wie der Beginn eines Wein»
krampfes.
Herr Gyskra jedoch hatte kein Wort des Vorwurfs,
keine Silbe, die den Verstorten gekränkt oder gedemütigt
hätte. Er selbst fühlte sich ja vor seinem Gewissen so
schuldig, daß er einen Moment lang von der Versuchung
umkrallt wurde, Hellmuths Hand zu ergreifen und dem
Beamten da hinter dem Aktentisch zuzurufen: ,Lassen Sie
doch vor Allem auch mich in Gewahrsam nehmen! Ich habe
weit schwerer gefehlt, als dieser thörichte Iüngling, der
dem Anprall des Zorns vielleicht unterlag, während ich,
der Ober »Staatsanwalt Gystra, mit vollstem Bewußt»
sein Komödie spielte!'
Aber das ging ja nicht! Er war ja zunächst doch