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Sache außerordentlich sicher. Die ganze Art, wie er das
mitteilte, hatte sogar den Hauch einer Feierlichkeit, wie
sie sonst dem sanguinischen jungen Mann fremd war.
Herr Gysi« legte seine Cigarre weg.
Zum erstenmal, seit er den Prozeß gegen Lichert in
Angriff genommen, stieg etwas in ihm auf, was wie die
Dämmrung eines flüchtigen Zweifels aussah. —
Wenn Doktor Kretschmar wirklich jenen Beweis er»
brachte, — was dann? —
Das hartnäckige Leugnen des Angeschuldigten; die
Zähigkeit, mit der er an seiner Aussage betreffs der zwei-
hundert Mark festhielt; der Trotz sogar und die zornige
Brutalität Licherts, der im Gefängnis mehrfache Dis»
ciplinarstrafen erduldet hatte —: dies Alles nahm offen-
bar, wenn Kretschmar seine Behauptung erhärtete, ein für
Lichert günstiges Colorit an . . .
Und doch schien der Indicienbeweis so völlig erbracht,
daß man bei allem Scharfsinn und aller Gerechtigkeit
nicht wußte, was man mit diesem unverhofften Moment
anfangen sollte!
Herr Gyskra stand auf. — Die Hauptverhandlung
würde die Sache wohl klarlegen. — Was sollte er sich
noch länger den Kopf zerbrechen? — Neugierig war er
ja allerdings auf die Einzelheiten, — aber den Doktor
Kretschmar direkt zu fragen: das widerstrebte ihm.
Es schlug neun, als Herr Gyskra sich an den Schreib-
tisch setzte, um die Akten des neuen Prozesses, die sich
hier auftürmten, eingehend durchzunehmen.
Der Fall war außerordentlich fesselnd und aufregend.
Es handelte sich um ein bildhübsches achtzehnjähriges
Mädchen, das, kurz hintereinander, erst die Mutter und