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farbige Wirklichkeit mit ihren wechselnden Bildern völlig
Besitz von ihm. — Da kam jetzt ein Wagen gerollt — lang»
sam, denn das Gewühl staute sich — und in dem Wagen
saß der Oberst von Rheuß, und neben ihm, weiß und blau»
grün, eine richtige Meernixe vom Fuß bis in die schaukeln-
den Blumen des Hütchens hinauf, Sascha, die Kalte, die
zwar verziehen hatte, aber doch niemals vergaß. . .
War es der Zauber der wonnigen Mailuft, die Alles
versöhnte und Alles in überirdischen Glanz tauchte? Der
Blick, der ihn jetzt traf, als er grüßend den Hut zog,
redete nicht mehr die herbe Sprache der Unversöhnlichkeit;
ein mildes Feuer glomm unter den langschattenden Wimpern
hervor; ein Lächeln spielte um den berückenden Mund, so
eigenartig, daß Hellmuth fühlte, wie alles Blut ihm heiß
nach der Stirne drang. — Er schaute ihr nach.
In dem Rausch dieses Maiabends pochte sein Herz zum
Zerspringen. „Heilig und hehr ist das Leben," dachte er,
übermannt von einer beglückenden Hoffnung; und wie eine
Antwort auf feine schweifenden Fragen klang ihm beim Vor-
fahren an der Thüre des Elternhauses die Stimme eines
blondlockigen Kindes entgegen, das jenseits der Straße,
über die Gartenmauer gebeugt, die Strophe sang:
„Die Liebe ist auferstanden,
Die Gräber leuchten und blühn..,
O knospende Frühlingserde,
Wie bist Du hoffnungsgrün!""
Ende des zweite» Bandes.