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erst nach und nach in die Bahn der alltäglichen Eonver»
satton einlenkte.
Nie beiden sahen sich heute seit jenem verhängnisvollen
Nachmittage zum erstenmal.
Hellmuth fühlte sich in Erinnerung an seine Dreistigkeit
außerordentlich schuldbewußt, während Sascha, die sich
ernsthaft geprüft hatte, gleichfalls zu der Erkenntnis gelangt
war, daß ihr Benehmen nicht ganz ohne Vorwurf sei.
Ihr Papa mochte doch recht haben mit seiner neulich
entwickelten Theorie: daß eine Dame immer verantwortlich
sei, wenn sich ein Mann aus der guten Gesellschaft ihr
gegenüber zu viel erlaube!
Sie begriff jetzt gar nicht, daß sie ihr Herz, ihre
Blicke, ihr Lächeln nicht sorgsamer in der Gewalt gehabt!
Wie anders war diese Emmy! Der würde so etwas
nicht passiert sein! Die hielt sogar ihren Verlobten unter
dem Bann ihrer Veilchenaugen, so daß er, trotz aller heim-
lichen Glut, keine Sekunde lang aus der Rolle des ehr-
furchtsvollen Bewunderers siel, des Ritters, dem es genügte,
die Farben seiner Dame zu tragen, ohne ihr jemals auch
nur die Hand zu berühren!
Emmy hatte ihr das neulich in aller Harmlosigkeit
erzählt, und wenn Sascha auch fand, daß diese Zurück»
haltung des würdigen Mathematikers übertrieben war, so
blickte sie doch mit heimlichem Neid auf die Braut, die
ihrem Bräutigam eine so heilige Scheu in die Seele geflößt,
ohne sich ihrer Macht deutlich bewußt zu sein. Iedes
Mädchen wurde genau so geliebt, wie sie's verdiente:
Sascha mußte also an Wert dieser blonden, rosigen Emmy
nicht gleich kommen. . .
Aus dieser Erkenntnis folgte für Fräulein von Rheuß