Buchmacher-Treff: Small Talk & Diskussionen

[Rainer Zenz]

Das Leistungsschutzrecht ist mindestens so unscharf wie das Urheberrecht.

Eine bstimmte Zusammenstellung von Texten kann da sicher geschützt sein. Eine schlichte Auswahl von Werken eines Autors in chronologischer Reihenfolge z. B. dürfte kaum ausreichen. Eine sinnreiche Zusammenstelung und Reihenfolge unter weniger naheliegenden Gesichtspunkten mag das sein.

Aufpassen muss man bei Erstveröffentlichungen längst verstorbener Autoren. Das Urheberrecht ist erloschen, aber der Erstveröffentlicher genießt für längere Zeit Schutz.

Solche Rechte werden allerdings auch gerne beansprucht, ohne dass es dafür eine solide Grundlage gibt. Das hat so eine hübsch abschreckende Wirkung.

Dann gibts noch den Schutz wissenschaftlicher Ausgaben. Vereinfacht gesagt, eine kritische Rekonstruktion des Originaltexts nebst wissenschaftlichem Anmerkungsapparat.

[pynch]

In Bezug auf die Sammelwerkeklausel bin ich inzwischen auch heftigst geneigt anzunehmen, dass der Kraus dadurch nicht geschützt ist.

An einer Stelle darf man aber schon etwas klarer formulieren, damit sich niemand abschrecken lässt: Der Schutz posthumer und wissenschaftlicher Ausgaben kommt ausschließlich für Texte in Betracht, deren Urheberrechtsschutz abgelaufen ist.

Ein hübsches Beispiel ist die Klagenfurter Ausgabe der Musil-Werke, die erst vor wenigen Jahren erschienen ist: Die Texte sind seit 1. Januar genauso gemeinfrei wie alle anderen (Die ingeniöse Verlinkung dürfte allerdings geschützt sein).

[praetor]

Originally Posted by Doitsu

So unterstützt selbst die aktuelle ADE-Version u.a. noch immer nicht elementare Formatierungen wie font-variant: small-caps;,...

Dafür habe ich, glaub ich, ein workaround gefunden. Linus Libertine bietet (in der ttf-Variante) einen eigenen Schnitt für Kapitälchen.

libertine.css:

@font-face {font-family: "Linux Libertine"; font-weight: normal; font-style: normal; src: url(../FONTS/fxlr.ttf);}
@font-face {font-family: "Linux Libertine"; font-weight: normal; font-style: italic; src: url(../FONTS/fxlri.ttf);}
@font-face {font-family: "Linux Libertine"; font-weight: bold;   font-style: normal; src: url(../FONTS/fxlb.ttf);}
@font-face {font-family: "Linux Libertine"; font-weight: bold;   font-style: italic; src: url(../FONTS/fxlbi.ttf);}
@font-face {font-family: "myCaps"; font-weight:normal; font-style:normal; src: url(../FONTS/fxlrc.ttf);}

body {font-family: "Linux Libertine";}

Statt font-variant: small-caps; definiere ich dann font-family: myCaps;. Ist wahrscheinliich nicht so originell, funktioniert aber unter KF8 und ADE. Oder gibts dagegen auch noch was einzuwenden?

[Doitsu]

Ich habe mal testhalber eine ziemlich gute Fraktur-Vorlage mit der neuesten Version des kostenlosen OCR-Programms "Tesseract" (und deutschen Fraktur-Trainingsdaten) erkennen lassen und eine Erkennungsrate von nur ca. 60% erreicht.
Ist das normal bei Fraktur oder kann man mit Tesseract durch gezieltes Training auch höhere Raten erzielen?
Falls ja, würde ich mich freuen, wenn jemand eine kurze idiotensichere Anleitung schreiben könnte, wie man die bereits vorhandenen deutschen Training-Daten erweitern oder neue buchspezifische Trainingsdaten erstellen kann.
(Die Anleitungen, die ich bis jetzt gefunden habe, setzen alle umfassende Linux/Programmierkenntnisse voraus.)

[mmat1]

Originally Posted by Doitsu

... Erkennungsrate von nur ca. 60% ...

(Die Anleitungen, die ich bis jetzt gefunden habe, setzen alle umfassende Linux/Programmierkenntnisse voraus.)

Geht mir genau so, ich glaube Tess kann man getrost vergessen

[mmat1]

Originally Posted by praetor

Statt font-variant: small-caps; definiere ich dann font-family: myCaps;. Ist wahrscheinliich nicht so originell, funktioniert aber unter KF8 und ADE. Oder gibts dagegen auch noch was einzuwenden?

Ist die einzige narrensachere Methode die ich kenne.

Funktioniert sogar mit eiBooks. Sofern man die Font-family (bzw. den Selektor) auf <p> oder <spam> - Tag direkt anwendet brauchts dafür nichtmal eine Metadatei.

Ästetiker werden jetzt einwenden, das dann aber auch das ganze Buch in LinLib gesetzt werden muss ...

Achja, einen entsprechenden Schnitt gibts bei vielen Schriften, nicht nur LinLib

[medard]

Nun haben wir das erste Fraktur-Buch vorliegen, zumindest das erste mir bekannte.

Ich bin sehr erstaunt dass Fraktur sich auf Eink so gut darstellen lässt. Es schaut einfach fantastisch aus. Es gibt eine ganze Reihe Verlagsschriftarten bei kommerziellen Ebooks, die auf Eink schwer lesbar sind. Offensichtlich werden diese Ebooks eher mit Blick auf Apple Produkte und ihre Bildschirme entworfen.

Ich hätte nie damit gerechnet dass ausgerechnet Fraktur auf Eink so gut ausschaut.

Die Zuordnung zu den verschiedenen s-Formen der Frakturschrift, erfolgt die über eine Software automatisch, oder wie muss ich mir das vorstellen?

[Spinnenmonat]

OMG! Demian von Hesse ist schon in Gutenberg.org veröffentlicht worden.

[pynch]

Und Siddharta gibt’s schon (seit mehreren Jahren?!) auf MR.

[Rainer Zenz]

Originally Posted by medard

Die Zuordnung zu den verschiedenen s-Formen der Frakturschrift, erfolgt die über eine Software automatisch, oder wie muss ich mir das vorstellen?

Das schafft keine Automtik. Das Lang-s muss von vorneherein als Sonderzeichen im Text enthalten sein.

Nachtrag: Wirklich sehr schön gemacht, der Knölge!

[Doitsu]

Originally Posted by medard

Nun haben wir das erste Fraktur-Buch vorliegen, zumindest das erste mir bekannte.

Ich wollte aus gegebenen Anlass noch einmal darauf hinweisen, dass Hesse natürlich in Deutschland und vielen anderen Ländern Urheberrechtsschutz genießt und dieses Buch deshalb selbstverständlich nur von MR-Benutzern in "Tod +50"-Ländern sowie in diesem speziellen Fall auch den USA heruntergeladen und verbreitet werden dürfen.

[mmat1]

Originally Posted by medard

Nun haben wir das erste Fraktur-Buch vorliegen, zumindest das erste mir bekannte.

Wie wärs denn damit ??

[Doitsu]

Originally Posted by mmat1

Wie wärs denn damit ??

Sieht vom Layout natürlich wesentlich anspruchsvoller aus als meine einfache Version, aber ich finde, dass sich die von mir eingebettete Schriftart mit dem schönen langen Namen "UnifrakturMaguntia" etwas besser liest.
Aber das ist natürlich reine Geschmackssache.

Außerdem sind mir als leicht "Frakturgechädigter" natürlich schon bei der ersten Geschichte einige Fehler mit dem langen ſ aufgefallen: st und sch anstatt ſt und ſch usw.

Vielleicht bin ich da ein wenig altmodisch, aber ich finde, wenn man schon Fraktur verwendet, sollte man das Druckbild des Originals (einschließlich ſ-Schreibweise) bestmöglich nachempfinden.

[brucewelch]

Originally Posted by Doitsu

... reine Geschmackssache...

Sowieso. Aber alle Experimente damit in Ehren: nur weiß ich nicht, ob ausgerechnet der moderne eReader der richtige Ort ist, diese 1941 (!) in Deutschland - als Obligatorik - abgeschaffte Schrift, die ich bei Originaldrucken durchaus zu schätzen weiß, zu reanimieren. Die Zahl derer, die damit noch zurecht kommen, sinkt zudem rasant. - Und wenn man einen Hesse-Text heute mit Fraktur ausstattet, kann das nicht mehr nur als historisierendes Ornament durchgehen; zwar sahen damals 99% der deutschsprachigen Drucke so aus - heute aber schiebt m.E. der Rückgriff auf Fraktur einen Autor wie Hermann Hesse sehr zu unrecht in ein rein nostalgisches Licht.
Deshalb nochmals: Geschmackssache, ja - aber eben nicht nur.

[Vorsichtshalber füge ich lieber gleich hinzu, dass ich mit dieser Meinungsäußerung die Leistung von Doitsu weder schmälere noch zu schmälern beabsichtige.]

[medard]

Originally Posted by mmat1

Wie wärs denn damit ??

Danke, davon habe ich nichts mitbekommen..

Ich fand das Buch von Doitsu nun ziemlich gut, aber es hat auch einen plausiblen Grund, weshalb Fraktur abgeschaft wurde (und damit meine ich nicht die dümmliche Begründung der Nationalsozialisten, die Fraktur schlussendlich verboten haben; sondern all die Schriftsteller und Wissenschaftler, die sich bereits 40 Jahre zuvor geweigert haben ihre Werke in Fraktur setzen zu lassen).

Denn es ist einfach für die Mehrzahl der Menschen nicht lesbar und es gibt keinen Grund weshalb man eine eigene Schrift benötigt, die für den Rest der Menschheit nicht lesbar ist.