03-01-2013, 02:57 PM | #181 | |
Berti
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Ansonsten, bin ich hier der einzige, der auch mal ein paar Humoresken etc in die Hand nimmt ?? Ich empfinde Fraktur nicht als besonders schwierig, war das denn wirklich so ?? Oder meinst du wirklich den "Rest der Menschheit", also auch Asiten und Afrikaner. Die haben sicher auch ein Problem mit Antiqua.... |
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03-01-2013, 03:58 PM | #182 | |||
Grand Sorcerer
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Insofern empfinde ich die Darstellung von Frakturschrift auf einem eInk-Display nicht als einen Anachronismus, sondern als eine interessante Möglichkeit, Altes mit Neuem zu verbinden. Quote:
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Last edited by Doitsu; 03-01-2013 at 04:25 PM. |
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03-01-2013, 04:43 PM | #183 |
Wizard
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Oops, nun muss man zwei Sachen auseinanderhalten.
Fraktur: Toll oder doof.. Also da gibt es viele Argumente und die sind in den letzten 120 Jahren ja bereits ausgetauscht worden. Damals um 1900 meinte man eben dass nun ein neues Zeitalter des Fortschritts beginnt und das hat man zum Ausdruck gebracht in dem man auf Antiqua bestand. Wenn Hesse tatsächlich 1951 noch auf Fraktur bestanden hat, dann kann das auch daran liegen dass genau dies die Zeit war in der Fraktur wirklich ausgestorben ist. Schweizer Zeitungen haben nach dem Krieg noch versucht in Fraktur zu drucken, das ging dann aber nicht mehr weil keine Maschinen mehr dafür erhältlich waren. Die NZZ musste dann auf Antiqua wechseln. Vielleicht fand Hesse 1951 Fraktur ganz gut, vielleicht wollte er aber auch nur eine in den Moment akut sterbende Schriftart unterstützen. Und der zweite Punkt ist eigentlich interessanter, nämlich die Frage ob man aus Gründen der Stimmigkeit Fraktur bei Büchern anbieten sollte, die eben in Fraktur gesetzt waren. Da spricht nichts dagegen, ausser eben dass das vielleicht viel Arbeit macht, gerade wegen der s-Formen. Dieses s-Problem ist aber auch gerade der Grund weshalb viele Menschen Fraktur hassen bzw. gar nicht lesen können. Denn es ist tatsächlich so, dass die meisten Menschen (also normale Menschen, nicht MobileRead-Stammuser) das nicht lesen können. Heute betrifft das deutschsprachige Leute wie anderssprachige, früher betraf das hauptsächlich nichtdeutschsprachige Menschen. Die haben nämlich die Strassenschilder nicht lesen können, zum Beispiel. Das findet man vielleicht eine Zeitlang witzig, aber irgendwann muss auch die Vernunft siegen. Aber so wie Dialektsprachen auch wird die Fraktur immer Befürworter und ihre Liebhaber haben. Und ein bisschen mag ich sie ja auch. |
03-02-2013, 07:59 AM | #184 |
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Wie die Blumen im Lenze erblüh'n,
Und in leuchtenden Farben erglüh'n, So erblühet in rosigster Glut Lockend der Töne Flut. Wann ist das Frühlingserwachen? Meine sehnsüchtigen Augen blicken hin! |
03-02-2013, 10:25 AM | #185 | |
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Mit "altmodisch" hat deine radikale Position, die bereits bei Texten aus dem 18. Jh. auf allergrößte Schwierigkeiten stoßen würde - von barocker Literalität einmal ganz zu schweigen -, m.E. nichts zu tun. Die Begründung aus dem "Leseerlebnis der Erstausgabe" finde ich nicht überzeugend. Sie scheint es darauf anzulegen, die vergangene Zeit durch ein ästhetisches Mittel sekundärer, nämlich ganz konventioneller Art, überspringen zu wollen. Die notwendige Gegenwärtigkeit eines jeden Leseprozesses scheint damit durch ein Moment der Nostalgie überformt zu werden. Ist das die Lesehaltung, die Autoren sich bei späterer Rezeption wünschen? @2: Die Nazis haben natürlich ein Argument gesucht, um die Abschaffung der vertrauten Schrift rechtfertigen zu können, und haben einfach ihr Standardargument benutzt. Im NS war bei aller Regression in verschiedensten Bereichen auch ein Modernisierungswille wirksam, so wenig einem das vielleicht schmecken mag; die Abschaffung der Fraktur liegt hier auf einer Linie mit dem Motorisierungs- und Autobahnprojekt. Dein Anliegen, Doitsu, finde ich natürlich gleichwohl sehr ehrenwert. @3: Ich habe selbst verschiedene Hesse-Fraktur-Ausgaben aus der Zeit nach 1945 in Fraktur im Regal und finde sie schön. Dass der alte Hesse der vertrauten Schrift den Vorzug gab, vergleiche ich mit Walsers Haltung, der die Anwendung der neuen deutschen Rechtschreibung auf seine Bücher untersagt: ein wenig Dickköpfigkeit alter Männer, die nicht mehr mit der Zeit gehen können, auch nicht müssen, vor allem aber: sich das leisten können. Muss man Hesses Dickkopf zwei Generationen später mit einem Heiligenschein versehen? Sein Werk ist, von der geradezu frakturträchtigen Lyrik abgesehen, in seinen besten epischen Leistungen jedenfalls moderner als die Fraktur. |
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03-02-2013, 10:34 AM | #186 | |
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Wenn die Geige so zaubrisch erklingt Und Musik sich den Reigen erzwingt, Dann frisch auf, zögert nicht, Denn die Jugend sie spricht: 's ist der Tanz, holder Füßchen Pflicht! Hey, Spinni! Du bist im Operettenland von Franz Léhar angekommen! Dass du uns hier allerdings mit dem Ballsirenenwalzer aus der "Lustigen Witwe" aufwartest, hätte ich bei einem Freund von "Das Heilige" nicht erwartet! |
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03-02-2013, 01:56 PM | #187 | |
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Orz! Ich habe in diesen zwei vergangenen Monaten intensiv studiert und danach intensiv gespielt. Ich habe alles vergessen! Ein Mann aus dem Land des Lächelns lacht jetzt nicht! Dürfte ich von einer Ohrfeige verschont bleiben? ( ̄ε(# ̄) |
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03-02-2013, 07:27 PM | #188 | ||||||
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Das heißt aber noch lange nicht, dass Hobby-eBook-Gestalter das genauso machen müssen. Ich sehe ein eBook in erster Linie als eine technische Möglichkeit, eine nahezu perfekte digitale Kopie eines Originals zu erstellen; narrensichere, polierte Werksausgaben können von mir aus andere erstellen. (Ich lese eher selten Bücher aus dem 18. Jahrhundert, hatte aber bisher bei belletristischen Büchern aus dieser Zeit kaum Probleme mit dem Textverständnis. Insofern kann ich Deine Befürchtungen nicht so richtig nachvollziehen.) Quote:
Laut einer bekannten (und nicht ganz unumstrittenen) Studie von Diemand-Yauman, Oppenheimer und Vaughan (PDF-Link) wirken sich beispielsweise schwer lesbare Schriften entgegen aller Erwartungen anscheinend positiv auf das Einprägen von Informationen aus. (Die Studie wird übrigens indirekt teilweise dadurch bestätigt, dass Legastheniker vor der weiten Verfügbarkeit von speziell für sie entwickelten Schriften häufig die in der Studie genannte Schriftart "Comic Sans" verwendet haben.) Quote:
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Abgesehen davon finde ich, dass die Umstellung eines Buchs auf die neue Rechtschreibung nicht unbedingt zur Wertsteigerung beiträgt. tl;dr: Let's agree to disagree. |
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03-03-2013, 05:11 AM | #189 | |
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Du kennst sicher eine paar andere Posts von mir und weißt daher, dass wir vermutlich in den meisten Punkten bei der Handhabung älterer Texte übereinstimmen. Ich bin hier immer für die Erhaltung des originalen Textbestandes eingetreten (und habe dafür genügend Schelte erhalten). Die Schrift ist jedoch ein sekundäres Moment, weil sie nicht zum Textbestand selbst gehört. Deine Rede vom "dümmsten anzunehmenden Leser" und von "narrensicheren, polierten Werkausgaben", deren Bezug unklar ist, halte ich nicht für förderlich. Die Charakterisierung der Formulierung "notwendige Gegenwärtigkeit eines jeden Leseprozesses" als esoterisch wirkt nach der Rede vom "dümmsten anzunehmenden Leser" ironisch; sei's drum: Notwendigerweise ist ein jeglicher Leseprozess ein jeweils gegenwärtiger (d.h. hier: findet also in der jeweiligen Gegenwart und nicht zum Zeitpunkt der Erstausgabe statt - alle Versuche, diese zeitliche Distanz zu vernichten, können höchstens virtuell erfolgreich sein). Ich verstehe deinen Fraktur-Hesse als bibliophile eBook-Edition; die Legitimität solcher Ausgaben ist unbestreitbar. Was mich daran interessierte, waren die zugrundeliegenden Überlegungen. |
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03-03-2013, 08:04 AM | #190 |
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Totoro, ich wünsche, dass dein Buch (oder das von dir gemachte Buch) Literary Book Club des Monates gewinnen kann!
https://www.mobileread.com/forums/sho...d.php?t=202947 |
03-03-2013, 08:55 AM | #191 |
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Die Ähnlichkeit zwischen Totoro und Doitsu macht mich beinnahe sprachlos..
Zu Doitsus Beitrag: Es sind dort viele Anliegen bemerkbar und man würde wohl eine recht lange Antwort verfassen müssen um diesen Anliegen in ihrer Gesamtheit gerecht werden zu können. Manches ist mir ein wenig zu pauschal, wie die Rede von den "meisten Verlagen" die dieses oder jenes tun.. Es gibt sehr unterschiedliche Verlage, gerade im deutschsprachigen Raum. Ein Verlag ist auch oft so etwas wie ein Galerist oder gar ein Mäzen, der die Entstehung von Kunst überhaupt erst ermöglicht. Gerade in der Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts gibt es dazu wirklich viele Beispiele. Selbstverständlich ist es nicht wünschenswert wenn willkürlich in eine historische Textgestalt eingegriffen wird. Allerdings wundert es mich, dass dazu immer Kinder- und Trivialliteratur (Karl May, Else Ury) herangezogen wird. Diese Autoren gelten nicht als Künstler und hatten auch keinesfalls das Selbstverständnis, literarisch-künstlerisch tätig zu sein. Die Bücher dieser Autoren sind Produkte, die schlichtweg dem Zeitgeist angepasst werden, um sie weiterhin vertreiben zu können. Solange das im Kleingedruckten irgendwo vermerkt ist sehe ich da kein Problem. Auch bei Neuauflagen wissenschaftlicher Werke, Wörterbücher oder Lexika findet man soche Anpassungen an den aktuellen Foschungsstand. Dies sind auch keine künstlerischen Werke, sondern Produkte, die für Käufer und Leser hergestellt werden. Zur Fraktur noch der Hinweis: Es ist ja nicht so als ob Fraktur eine homogene Schriftart gewesen wäre. Da gibt es ganz verschiedene Stilelemente, es gibt dort eigene Schriftfamilien wie bei der Antiqua auch. Falls man es also wirklich ganz genau nehmen möchte, dann müsste man die tatsächlich verwende Frakturschrift rekonstruieren und nicht bloss irgendeine nehmen. Ich denke aber so genau möchte es niemand nehmen.. Man kann die Fraktur gut finden, man kann lokale Dialekte pflegen, ausgestorbenen Währungen hinterhertrauen, oder die Grenzen des Heiligen Römischen Reichs zur Zeit Kaiser Karls IV nachzeichnen wollen.. Klar sein muss aber, dass Fraktur ausgestorben ist; es war der erklärte Wille der Mehrzahl der deutschsprachigen Schriftsteller, Journalisten und Wissenschaftler, die deutsche Sprache von der Fraktur zu befreien und dadurch erneut Anschluss an die Europäische Kultur zu finden. Als bibliophile eBook-Edition, wie Bruce das nun salopp bezeichnet, finde ich das allerdings eine gute Idee. Ich war sehr erstaunt wie elegant sich die im Hessetext verwendete Fraktur auf meinem Lesegerät darstellen lässt. Ein kultivierter Leser möchte immer das Besondere und Spezielle; der möchte nicht nur lesen, sondern auch Sammeln und Staunen; und seine Individualität in denen Dingen finden, die ihm lieb und teuer sind. Mein Vorschlag ist aber immer, nicht so sehr (angebliche) Autorenwünsche für solche Dinge heranzuziehen; gerade wenn man keinen Beleg dafür hat, dass irgendetwas dem Wunsch des Autors entspricht. Es kann genauso gut eine spontane Idee des Druckers gewesen sein, irgendetwas so zu machen, wie es dann gemacht worden ist. Dann ist es ehrlicher und redlicher zu sagen, man möchte den historischen Druck möglichst exakt digital nachbilden, und so wurde es ja auch gesagt. Und die Fraktur bietet dazu eine Vielzahl von Möglichkeiten, wenn man das möchte. |
03-03-2013, 09:29 AM | #192 |
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ein märchenhaftes Lebewesen im dichten Wald in subtropischen Zonen, immer hilfbereit, wenn ein unfähiges Kind in Gefahr ist, aber nur für treuen Kinder sichtbar. Nicht nur das Aussehen übereinkommt, Euer Exzellenz, auch die guten Seelen.
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03-03-2013, 09:31 AM | #193 |
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Aber sicher, ... es sei denn, sie erweist sich als letzter Ausweg, deine Lebensgeister wiederzubeleben ... aber das scheint ja trotz 2 Monaten intensiven Studierens und anschließenden (ebenso intensiven?) "Spielens" noch nicht der Fall?
Frage 1: Was spielst du denn so? Frage 2: Was hast du "alles" vergessen"? Da könnte ich nämlich auch mal mit einer Operette kommen: Glücklich ist, wer vergißt, Was doch nicht zu ändern ist! Sing, sing, sing, trink mit mir, Sing mit mir – Lalalala! Aber das ist aus der "Fledermaus" von Johann Strauß, nicht von Léhar. Und du musst dir bitte Sektgläser statt Bierhumpen vorstellen! |
03-03-2013, 10:43 AM | #194 |
Grand Sorcerer
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03-03-2013, 11:09 AM | #195 |
Groupie
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Doitsu, als alter Buchgestalter und Setzer muss ich deine Gedanken auch noch kommentieren.
Vorneweg: Das Hesse-E-Book mag ich, es ist gut und liebevoll gemacht. Der Auffassung, die du als "altmodisch" vertrittst, liegen aber Denkfehler und auch etwas Unkenntnis zugrunde. Es gab und gibt nur sehr wenige Bücher, die "Gesamtkunstwerke" darstellen in dem Sinne, das der Autor verantwortlich ist von der Idee über den Text bis zur Gestaltung und Verarbeitung. Am ehesten kommt so etwas bei sogenannten "Künstlerbüchern" vor. Dann gibt es es gelegentlich, aber auch selten, Buchausgaben, die man als "Gesamtkunstwerke" durch Zusammenarbeit betrachten kann. Der Text eines Autors wird mit viel Einfühlungsvermögen adäquat und meisterhaft gesetzt, vielleicht genial illustriert, auf tollem Papier gedruckt und wunderschön gebunden. So etwas ist entweder ein Glücksfall oder bewusst als bibliophile Ausgabe entstanden. Auch Inkunabeln kann man oft dazuzählen. Der Normalfall war und ist aber weit prosaischer. Auch schon vor Jahrhunderten gab ein Autor ein Manuskript in der Regel an seinen Verleger, der mit ihm nicht viel mehr als Inhaltliches absprach, wenn überhaupt. Der Verleger bestimmte das Format, ein Setzer wählte eine Schrifttype aus dem Sortiment (das üblicherweise sehr beschränkt war), setzte den Text und führte dabei durchaus auch nebenbei ein erstes Korrektorat durch. Setzer waren damals hochqualifiziert für so etwas. Bis ins 18. Jahrhundert wurden Bücher ohne Einband verkauft, den ließ sich der Käufer nach seinem Geschmack beim Buchbinder machen. Auch heute bleibt der Autor bei der Buchgestaltung meist ganz außen vor. Die Gestalt eines Buchs geht also in der Regel nicht auf den Autor zurück, auch nicht bei Erstausgaben. Da ist schlicht viel Zufall im Spiel. Im Idealfall fügt sich alles zu einem runden Ganzen, Text, Typografie und Layout harmonieren miteinander. Meistens passt es nur so lala. Ganz egal, ob die Ausgabe 200 jahre alt oder aktuell ist. Das war Punkt 1. Du hast aber noch den Anspruch, eine Erstausgabe oder frühe Ausgabe möglichst genau als E-Book nachzubauen. Da kommt Punkt 2 ins Spiel. Es ist faktisch unmöglich, ein E-Book-Faksimile eines gedruckten Buchs zu erzeugen. Alles, wirklich alles, was die besonders erhaltenswerte Qualität einer bestimmten Druckausgabe ausmacht, kann dieses Medium naturgemäß überhaupt nicht leisten. Da genügt es absolut nicht, die Originalschrift oder eine oberflächlich ähnliche einzubetten und ein paar stilistische Elemente nachzuahmen. So etwas kann ganz nett sein, hat aber mit Werktreue nichts zu tun. Es ist nur deren Simulation mit untauglichen Mitteln im falschen Medium, keine Rekonstruktion. Dass Verlage diesen Weg nicht gehen, hat nichts mit Anbiederung an DAUs zu tun. Sie wissen um die Zufälligkeiten bestimmter Ausgaben. Sie wissen, dass sich eine bestimmte Ausgabe nur als echtes, gedrucktes Fasimile annähernd genau vervielfältigen lässt. Was gelegentlich auch passiert, aber exorbitant teuer ist. Und sie wissen, dass sich das Werk ganz im Sinne des Autors oft nur durch wissenschaftliche Arbeit erschließen lässt. Daraus entsteht dann manchmal eine historisch-kritische Ausgabe. Auch sehr teuer und nicht zum Lesen gedacht. Der verantwortungsbewusste Normalfall bei Klassikern ist daher, eine möglichst noch vom Autor gebilligte Ausgabe als Ausgangsmaterial zu verwenden, den Text zu extrahieren und in neuer formaler Gestalt zu veröffentlichen. Das ist völlig in Ordnung und tut den Autoren keinerlei Gewalt an. Solange die neue Gestalt demText halbwegs adäquat ist, natürlich. So etwas, wie die Hesse-Erzählung in Fraktur zum E-Book zu machen, halte ich für eine charmante nostalgische Geste. Gerade wegen der Diskrepanz zwischen einer Schrifttype, die ihre Blütezeit im Handsatz auf handgemachtem Papier hatte und heute für viele schwer lesbar geworden ist, und einem hochmodernen Wiedergabegerät für digitalisterte Dateien. Das hat etwas von romatischer Ironie. Aber: Es ist eben nicht "originaler", werktreuer oder richtiger. Eher eine Art künstlerische Intervention. Du vestehst das nur selbst anders, was ich etwas problematisch finde. |