Other Fiction Heyse, Paul: Novellen I. V2. [German] 10.12.2017

[brucewelch]

Der vorliegende Band ist der erste von insgesamt neun einer neuen (2017ff.) digitalen Ausgabe der Novellen von Paul Heyse; sie ist nicht identisch, auch nicht in Teilen, mit irgendeiner bislang veröffentlichten, ähnlich lautenden digitalen Edition, sondern geht, soweit dies möglich ist, vom Wortlaut der jeweiligen Erstveröffentlichung in Buchform aus und bietet mit einer versteckten, jedoch visualisierbaren Seitenzählung zitierfähige Texte (ggfs. PN oder eMail). —

"Novellen I" enthält mit den ersten vier Sammlungen das novellistische Frühwerk; "La Rabbiata" (so hieß es noch in der Erstausgabe) ist natürlich auch dabei, und auch die beste Novelle, die Heyse vielleicht je geschrieben hat: "Andrea Delfin": Hier gelingt es dem Autor, mit der venezianischen Staatsinquisition des 18. Jh. ein regelrechtes politisches Modell einer Schreckensherrschaft abzuliefern, ohne sich in historischer Erbsenzählerei zu ergehen. "Halb Venedig war dafür besoldet, daß es die andere Hälfte überwachte", heißt es auf Seite 342 der Vierten Sammlung: Stasi im 18. Jh. in "bella Venezia"! —
Kaum schwächer ist "Das Mädchen von Treppi"; auch hier beruht der Plot der Novelle auf politischer Bedrückung in Italien, diesmal in der ersten Hälfte des 19. Jh. Dass hier ein überzeugter Liberaler schreibt, kann auch dem zeitgenössischen Leser nicht verborgen geblieben sein. —
"Auf der Alm" dagegen ist in seiner Unsäglichkeit das Beispiel für eine andere Seite dieses (bisweilen allzu) produktiven Dichters; als Erfolgsschriftsteller glaubte er, jedes Genre in sein Schaffen integrieren zu müssen, und konnte es sich leider nicht versagen, auch auf den Zug jener einst von Erich Auerbach inaugurierten "Dorfgeschichte" aufzuspringen; was jedoch bei Auerbach authentisch und realistisch Gestalt gewinnt, gerät bei Heyse zu unerfreulichem "Salontirolertum".
Zum Glück sind solche Ausreißer selten. Alle anderen Werke dieses ersten Bandes sind durchweg mindestens lesenswert, wenn nicht sogar sehr gelungen.

Die Texte im Einzelnen:

Novellen (1955 - 1. Slg.)

Die Blinden (1852)
Marion (1852)
La Rabbiata (= L'Arrabbiata) (1853)
Am Tiberufer (1853)

Neue Novellen (1858 - 2. Slg.)

Das Mädchen von Treppi (1855)
Der Kreisrichter (1855)
Erkenne dich selbst (1856)
Helene Morten (1857)

Vier neue Novellen (1859 - 3. Slg.)

Die Einsamen (1857)
Anfang und Ende (1857)
Maria Francisca (1858)
Das Bild der Mutter (1858)

Neue Novellen (1862 - 4. Slg.)

Annina (1860)
Im Grafenschloß (1861)
Andrea Delfin (1859)
Auf der Alm (1861)

Anmerkung:
Der Hinweis von faltradl unten bezieht sich auf eine frühere Ausgabe, die bis März 2017 hier gestanden hat. Der genannte Text ist inzwischen im Band »Novellen III« enthalten.

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[faltradl]

Hi,

Zumindest "Die Stickerin von Treviso" ist über Wikisource zu finden: MDZ München
Allerdings nur als PDF mit den eingescannten Seiten. Und das dummerweise auch noch in Fraktur. Also viel Arbeit.

Gruß, Faltradl