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Stifter, Adalbert: Nachkommenschaften german V1 27.07.2009

Adalbert Stifter: Nachkommenschaften

Es beginnt, als redeten Franz Kafka und Karl Valentin durcheinander: „So bin ich unversehens ein Landschaftsmaler geworden.“ (Modus Kafka) Nichts an diesem ersten Satz versteht sich von selbst. Dem „so“, das eine Entwicklung zu resümieren, einen Anschluss herzustellen scheint, geht nichts voraus, es nimmt nichts auf, es setzt einen Anfang, der so tut, als setzte er nur fort. Auch das „unversehens“ steht beziehungslos im Satz. Wie wird man „unversehens“ ein Landschaftsmaler? Aufklärung, sort of, gibt es später. Er war in einer Abtei, er hat zu malen begonnen, er hat zu malen weitergemacht. Wie wenig dieses „Ich“ eines ist, das sich im Griff hat, darum wird es ganz zentral gehen in „Nachkommenschaften“. Es ist das Geschick des Geschlechts der Roderer, dem der Ich-Erzähler angehört, sich nicht zu kennen, mitten entzwei zu reißen in ihren Leben, die sich einem Ziel fanatisch widmen und dieses Ziel dann als unerreichbar verwerfen. Dieses Geschick, von dem ein anderer Roderer erzählt, ist von der Art der Prophezeihung: Man weiß nicht, ob sie eintrifft, weil sie ausgesprochen wird; oder trotzdem (aber eines von beidem denkt man, denn das ist die Performanz jeder Prophezeihung: Sie tut so, als geschehe, was sie verspricht, ohne ihr Zutun, dabei setzt sie ein Zukünftiges als Geschick in die Welt, das den, dem es widerfährt, dann – als Geschicktes – einholt.)

Der Held befindet sich jetzt in den Alpen, aber der Weg zu diesem „Jetzt“ der Erzählung ist steinig. Der zweite Satz - Einsatz Modus "Valentin" - von Nachkommenschaften lautet: „Es ist entsetzlich.“ Das „Es“ kann sich grammatikalisch eigentlich nur auf den ersten Satz beziehen, recht eigentlich aber weist es voraus auf den langen Absatz, der folgt und in dem es darum geht, dass es schon zu viele Landschaftsmaler gibt und zu viele gemalte Landschaften. Der Erzähler rechnet aus, wie viele Bilder er noch malen kann in seinem Leben. „Fünfzehn zweispännige Wägen“ voller Kisten mit Landschaftsbildern. Auch die „guten Rosse“ werden – wir sind noch nicht im „Jetzt“ – in einem seltsam antizipativ-fantastischen Futur hinzuimaginiert. (In Kafkas „Der Proceß“ gibt es einen Landschaftsmaler unterm Dach, der identische Landschaften unterm Bett hervorzieht. Eine seltsame Bild-Blindstelle im Roman, die hier aber durch viele Redundanzen, Tautologien, Wiederholungen vor allem in Wortwechseln vorweggenommen scheint: „Ja, der Rechte ist immer der Rechte“ oder „Mit den Roderer Peter Buben wären die Roderer Peter Buben ausgestorben, wenn es nicht noch einen Roderer Peter Buben gegeben hätte“. Letzterer natürlich der Stammvater des Ich-Erzählers und seines Geschicks. Der Ur-Roderer wird etymologisch erklärt, als einer, der ein Gehege noch stärker hegte, ein Wildes zivilisierte und Bäume fällte: „Sein Urenkel wollte den besten Wildstand in einem gezäunten, ungemein großen Gehege gründen, den es im deutschen Reiche geben sollte, und rodete endlich das Gehege zu Wiesen und Feldern, und mochte wohl der Roderer geheißen haben.“ Auch eine Art Familienroman.

Wonach der Held der „Nachkommenschaften“ strebt, lässt sich als Ausbruch aus Selbstreferenz verstehen, aus der Roderer-Serie, auch aus der Serie von Bildern, die nur Bildern gleichen darin, dass sie nur Bilder sind: von Landschaften. Er möchte das Bild und die Wirklichkeit zur Deckung bringen. Sein Ziel – sein mit Rodererscher Unbedingtheit angestrebtes Ziel – ist es, „den Dachstein so zu malen, dass man den gemalten und den wirklichen nicht mehr zu unterscheiden vermöge“. Er will das Ultimum realistischer Kunst. Er will den Ausbruch aus der Roderer-Linie, die nur Roderer macht. Er will die totale Übertragung von Wirklichkeit in Kunst. Dies oder nichts. Er baut ein Haus, nur zu diesem Zweck. Er blickt auf den Dachstein und malt den Dachstein: „Ich wollte nämlich, so wie der Heldendichter Peter Roderer, die wirkliche Wirklichkeit darstellen, und dazu die wirkliche Wirklichkeit immer neben mir haben.“ Wir wissen nicht, was ihn treibt. Es muss das Geschick sein. „Aber ich bin unschuldig. Ich habe nie daran gedacht, ein Landschaftsmaler werden zu wollen.“) Die Alternativen zu den fünfzehn Wägen mit den guten Rossen: Nur das eine, vollkommene, das buchstäblich „große“ Bild (wir denken an Balzacs „Unvollendetes Meisterwerk“) – oder, im Scheitern, die Zerstörung. Auf dieses Ergebnis wird – muss – es hinauslaufen. Das Ultimum des Realismus lässt sich ersetzen. Ehe statt Dachstein. Erzählung statt Bild. Genealogie statt Darstellung. Ersetzt aber wird das Ultimum der Fremdreferenz – die Leben und Wirklichkeit verwechselt – durch das Ultimum der Selbstreferenz: Der Roderer heiratet eine Roderer und wird Roderer gebären: Nachkommenschaften.

Das Geschick ist der Riss, der aus singulärer Darstellung Fortsetzung der Serie macht – es ist nicht die Serialität als solche. Das Geschick ist ein Meta-Geschick, denn es erfüllt sich gerade in der Ersetzung der zu dieser Ersetzung notwendigen Strebung nach singulärer Darstellung. Dahinter waltet eine vertrackte Logik des Versehens (und des „unversehens“). Die Liebe fällt auf den Maler als unversehener, eigentlich verbotener Blick auf das unfertige – und damit unvollendbar werdende – Bild. Und er, der Roderer, verliebt sich ins braune Roderer-Gesicht, ins braune Roderer-Haar. Er malt jeden Morgen und reißt sich los vom Blick auf die wirkliche Wirklichkeit für die wortlose Begegnung mit dem Roderer-Gesicht der Königstochter. Die Erzählung wechselt vom Modus „Realismus“ in den Modus „Märchen“. Im Märchen erst waltet das genealogische Geschick. Das ist der Prozess, den die Erzählung schildert, als Meta-Erzählung von einem, der sich dem Prozess des Erzählens verweigert, der Einordnung in Genealogien ebenso wie in eine psychologische Folge. Er verschreibt sich dem „unversehens“, dem unerklärlichen „so“ (aber wie?) und wird, durch die genealogische Erzählung, hineingezogen in den Prozess des Geschicks. Er baut sich ein Haus, in dem er sitzt und blickt und malt. Aber sein Blick geht auch auf den „Weg“ (unendlich oft ist von diesem „Weg“ die Rede, der gegen das „Haus“ steht, als Prozess und Bewegung gegen die Statik der Übertragung). Auf dem Weg ins Märchen fällt sein Blick auf die Königstochter. Der Realismus hält die Konkurrenz, die eine Weile fortbesteht, nicht lange aus. Die Erzählung muss über das Bild siegen, aber sie siegt als Selbstreferenz über die Fremdreferenz, die – das ist der Roderer-übliche Riss im Geschick – zum unmöglichen Ziel erklärt wird. Das Bild wird, unvollendbar, vernichtet. An seine Stelle tritt das Roderer-Gesicht der Königstochter. So wird der Ich-Erzähler unversehens zu einem echten Roderer, zu einem Liebenden und Ehemann: „Wie und warum weiß ich nicht.“
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