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12-30-2011, 09:27 AM | #1 |
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Kraft, Robert: Ein moderner Lederstrumpf. V1. [German] 30.12.2011
Robert Kraft (1869-1916), Sohn eines Leipziger Weinhändlers, zeitigt schon in der Jugend Symptome einer instabilen Persönlichkeit (zahlreiche Fehlstunden in der Schule, von der er schließlich verwiesen wird; häufiges Ausreißen von zu Hause). Auf väterlichen Zwang hin macht er eine Schlosserlehre und besucht die Höhere Gewerbeschule, bestiehlt allerdings mit 20 J. seinen eigenen Vater und gerät in Haft. Es folgt ein abenteuerliches Leben mit Schiffsheuer, Kentern und Rettung, Schiffsreisen um die ganze Welt, bis er 1890 in Ägypten sein Leben mit Gelegenheitsarbeiten fristet und mit einer einheimischen Frau in der Wüste zusammenlebt. Als blinder Paassagier gelangt er nach Konstantinopel, erkrankt an Cholera und wird schließlich nach Wilhelmshaven gebracht, um 3 Jahre seinen Wehrdienst in der Marine abzuleisten. In dieser Zeit kann er in einem Lager für ausgemusterte Bücher aus Schiffsbibliotheken ausgiebig seiner Leselust frönen. Anschließend betätigt er sich in der libyschen Wüste als Jäger und beschäftigt sich nach Begegnungen mit Rifai-Derwischen dort intensiv mit übersinnlichen Phänomenen. Die Erkenntnis, dem Abenteuerleben doch nicht gewachsen zu sein, bringt ihn wieder nach Deutschland, wo die Aussöhnung mit dem Vater scheitert, so dass er nach London geht und 1895 Johanna Rehbein ehelicht; dies führt zu zwei Töchtern. Kontakte zum Verlag Münchmeyer in Dresden initiieren seine Kolportageroman-Produktion, die auch die Rückkehr nach Deutschland nach sich zieht. Nach dem Tode des Vaters erbt er dessen beträchtliches Vermögen, das er in Monte Carlo und London allerdings innerhalb nur eines Jahres durchbringt. Zurück in Deutschland geht es weiter mit der Kolportage-Schriftstellerei, um sich und die Familie, die er bei seinem Tod mit nur 46 Jahren aufgrund eines Magenleidens mittellos zurücklässt, notdürftig über Wasser zu halten. [auf der Basis von wikipedia; einen schönen Artikel über Robert Krafts Leben und Werk findet man hier.]
Die Abenteuerliteratur um die Jahrhundertwende, also zwischen 1880 und 1930, erweist sich bei genauem Zusehen doch als weitaus vielgestaltiger, als man vor Jahrzehnten noch annehmen konnte. Es ist eines der Verdienste der Digitalisierbarkeit von Texten, dass es nun nicht mehr allein Karl May ist, den man in Deutschland mit diesem Genre verbindet. Allerdings ist es nach wie vor keinem anderen so gelungen, geradezu mythische Figuren in solch archetypischen Situationen handelnd auftreten zu lassen. Old Shatterhand bzw. Kara Ben Nemsi reist neugierig auf die Welt, dennoch wissend und helfend zugleich, folgt aber immer einem höheren Interesse und vollzieht nicht einen Auftrag wie z.B. Edgar in Franz Trellers "Verwehte Spuren", der seine verschollene Schwester sucht, oder wie Curt Starke, der "moderne Lederstrumpf", der um Lohn eine englische Lady wegen einer von dieser eingegangenen Wette begleitet. "Ein moderner Lederstrumpf" ist, wie letzteres schon andeutet, ein von Jules Verne beeinflusster Abenteuerroman; neue Verkehrsmittel werden einbezogen; statt "In 80 Tagen um die Welt" soll es allerdings per Fahrrad in 300 Tagen gelingen. Mit dem Radl Indianern auf dem Kriegspfad begegnen - das hat schon was! Verschwörungen, Lebensgefahren, Tote und Verletzte bis zum Abwinken - der Autor lässt es richtig krachen. Man staunt ob des naiven Umgangs mit Grausamkeiten. Andererseits zeigt sich Kraft in der Frauenfrage bedeutend lockerer als die meisten seiner Zeitgenossen. Und er lässt uns viele, z.T. freilich haarsträubende Informationen über Land und Leute zukommen. So schrill und grell, wie Kraft immer schreibt, geht es also auch hier zu. Da ist denn Stil reine Glückssache; man muss sich deshalb fast wundern, dass es dieses Buch in den Fehsenfeld-Verlag geschafft hat, wo auch Karl Mays Reiseerzählungen in dieser Zeit erschienen. Das vorliegende ebook versucht so nahe wie möglich am Original zu bleiben (daher auch durchweg nur -ss- und kein -ß- u.ä.); es basiert auf dem PDF-Scan der zweiten Auflage von 1902 (EA: 1901), wie er auf der Website der Karl-May-Gesellschaft abgelegt ist, mit deren freundlicher Genehmigung, für die ich auch an dieser Stelle danke, das Werk hier erscheint. Alle Illustrationen (die oft in kurioser Weise von den Beschreibungen im Text abweichen) einschließlich des (Jugendstil-)Covers sind übernommen; nur habe ich die Textunterschriften fortgelassen und die Bilder statt dessen an den entsprechenden Stellen im Buch plaziert. Viel Spaß mit diesem spannenden, total abgefahrenen, jedenfalls überaus originellen Abenteuer-Schmöker! Last edited by brucewelch; 04-08-2017 at 12:50 PM. |
12-30-2011, 09:49 AM | #2 | |
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Hallo, welch gewagter Textabschnitt:
Quote:
Gerade Curt Starke hat doch, wie sich herausstellt, einen starken inneren Kompass, ja eine Grundethik. Ausserdem macht ihn doch eben das legionärhafte Verhalten zu einer modernen Figur, die mit mythischen Götter- und Heldengestalten nichts am Hut hat. Aber das nur am Rande. Tolle Arbeit! PS: Da lobe ich mir Walther Kabels Abelsen, dessen innere Kämpfe und Befindlichkeiten genauso spannend zu lesen sind als die eigentlichen Abenteuer. PPS: Und nochmals Danke für den kreativen Input bei Nobody! Last edited by mtravellerh; 12-30-2011 at 10:01 AM. |
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12-30-2011, 02:53 PM | #3 |
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Gerade Liebhaber der Abenteuerliteratur sollten vor dem Schießen das Laden nicht vergessen. In diesem Sinne:
Wenn man meinen bewusst etwas provokanten Text genau liest, steht da nicht, dass Mays Helden "mythische Figuren" sind, sondern "geradezu mythische ...". So viel Unterschied muss auch ein dezenter Widerspruch verkraften. Die "Motivation eines ziellosen Herumvagabundierens eines romantischen Möchtegernschriftstellers", wie du dich auszudrücken beliebst, ist beileibe nicht das einzige Moment, auf das sich der immerhin gigantische Erfolg von Karl May gründet. Es ist ja vor allem die ihm auch biographisch eigentümliche Hochstapelei (möglicherweise ist das die von dir so genannte "Hybris"), die allerdings auch bei Autoren der Hochliteratur auftreten soll... dass z.B. Thomas Manns "Felix Krull" auch eine Selbstbespiegelung des Verfassers darstellt, muss ich sicher höchstens erwähnen. Dir gefällt genausowenig wie mir die moralische Weihräucherei im Werk des Radebeulers, mir missfällt allerdings oft noch mehr der kritiklose Imperialismus (inklusive Deutschtümelei), der aber den anderen Abenteuerautoren des wilhelminischen Zeitalters kaum weniger zueigen ist; auch Kraft bildet da keine Ausnahme. Dieser allerdings schreibt einen grauenhaften Stil, und da kann Karl May niemand was am Zeug flicken; auch in der epischen Organisation ist er, selbst in seinen 5 Münchmeyer-Romanen, Kraft hoffnungslos überlegen. Figuren wie Old Shatterhand / Kara ben Nemsi, Winnetou, Hadschi Halef Omar usw. sind zudem Serienhelden, eben populär-mythische Figuren wie später Superman etc., und als solche in dieser Art nie mehr überboten worden. Was ist dagegen die wirre Figur eines Nobody? Von der öden, auf der Stelle tretenden Seitenschinderei, die Kraft insbesondere im "Nobody" zu betreiben gezwungen war, will ich hier gar nicht reden. (Der Lieferungsroman à la Münchmeyer hatte eben seine besonderen Erfordernisse.) Bei Curt Starke allerdings von irgendeinem "inneren Kompass" zu reden, finde ich entschieden überdrehter, als Mays Hauptpersonen als quasi-mythische literarische Figuren anzusprechen. Starke ist bei weitem unwahrer und unwahrscheinlicher und viel miserabler motiviert als jede May-Figur. Sein von dir so apostrophiertes "legionärhaftes Verhalten" ist absolut unnötig und unglaubwürdig; auch dass er sich einerseits in seiner Bezahlung so rechenhaft verhält, andererseits offenbar ein dermaßen vermögender Bursche ist, dass er teuerste Colliers an seine Schutzbefohlene verschenkt, ist nur lachhaft. Ich könnte jetzt in allen möglichen Einzelheiten so weiter machen, um die literarische Qualität von Kraft zu reduzieren auf das, was sie ist: ein wirres Herunterschmieren von recht willkürlichen Einfällen in noch willkürlicherer Verknüpfung - das allerdings in höchst origineller Weise. Nicht dass mich jetzt jemand für einen Karl-May-Fan hält - mitnichten. Ich kenne sein Werk sehr gut, bin jedoch keineswegs geneigt, "immer mehr Bedeutung in seine Geschichten hinein[zu]geheimnissen, als ihm (und den Geschichten) gut tat". Nur sehe ich die Dinge ganz gerne an ihrem Ort. |
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