Poetry Geibel, Emanuel: Gesammelte Gedichte. V1 [German] 14.1.2023

[brucewelch]

Diese elektronische Gesamtausgabe des lyrischen Werks von Emanuel Geibel beruht nicht auf einer der beiden Werkausgaben, die 1883 bzw. 1918 erschienen, sondern auf den vom Dichter zu Lebzeiten herausgegebenen sieben Gedichtbänden; im Anhang sind ferner einige Werke enthalten, die posthum in den Gesammelten Werken (1883) oder in Zeitschriften erschienen oder zu Lebzeiten keine Aufnahme in die Gedichtbände fanden. Es wurden auf diese Weise 2050 Seiten für dieses eBook verarbeitet. (Nicht enthalten sind seine schätzenswerten Nachdichtungen aus dem Spanischen, Französischen und aus der Antike.)

Spoiler:

Geibel war, was Gedichte angeht, der erfolgreichste Dichter des 19. Jh. im deutschsprachigen Raum. Sein erster Gedichtband hatte innerhalb von 44 Jahren 100 Auflagen erlebt; und von knapp 300 seiner Gedichte existieren über 3600 Vertonungen. Politisch folgte er dem Mainstream, d.h. er sehnte sich nach deutscher Einheit, war ein royalistischer Patriot und hat leider genau deshalb viel für die Zementierung der deutschen Abneigung gegenüber Frankreich getan: zahlreiche Gedichte führen hier das Wort "Erbfeind" im Mund. Nach der Erlangung der deutschen Einheit 1871 verehrte er Bismarck, ohne doch seinen Konservatismus vollständig zu billigen – "Nationalliberaler" nennt ihn Georg Herwegh zu Recht, der 1851 in einer Rezension (Nacht und Morgen. Neue Zeitgedichte von Franz Dingelsted) schrieb: "Es läßt sich ertragen und entschuldigen, wenn der preußische Hoftroubadour und Pensionär Geibel einen Band gedankenloser Lyrik nach dem andern von sich gibt, denn in seinen Versen ist wenigstens Formschönheit, in seinen Strophen Melodie. Auch ist Geibel im Grunde genommen ein seelenguter Kerl, welcher nicht daran schuld ist, daß er statt Verstand bloß Romantik im Gehirn hat, und nichts dafür kann, daß er von hysterischen Teekannen zum großen Dichter ausgerufen wurde." Es ist genau dieser Mangel an Intellektualität, der Geibel 1861 zu jenen folgenreichen Schlussversen des Gedichts "Deutschlands Beruf" verleitet hat: "Und es mag am deutschen Wesen / einmal noch die Welt genesen". Kaiser Wilhelm II. machte daraus jenes verhängnisvolle politische Schlagwort: "Am deutschen Wesen mag die Welt genesen". Der Wunsch nach deutscher Einheit gepaart mit dem Gefühl deutscher Zukurzgekommenheit hatte 1861 bei Geibel Pate zu seinen Zeilen gestanden. Bei Kaiser Wilhelm werden sie nach 1890 zum politischen Programm.
Man mag also einiges einwenden gegen dieser Dichter, der sich übrigens seiner Epigonalität durchaus bewusst war, wie mehrere Gedichtzeilen bezeugen. Er wusste auch um die Begrenztheit im Gehalt seiner Gedichte. Aber in der poetischen Gestaltung von Natur- und Gefühlserlebnis kommt er sehr oft so formschön und melodisch auf den Punkt, dass man hier schwer Vergleichbares findet zu seiner Zeit. Einige schöne Balladen und Romanzen gelingen ihm auch, und das Erlebnis von Griechenland, wo er sich lange aufhielt, hat er wie kein anderer ins Wort gebracht – so dass sogar Jacob Burckhardt seine Bewunderung äußerte.
Lyrik steht in diesem Forum bei den Downloadern nicht hoch im Kurs – so wie im wirklichen Leben. Um so seltsamer mag es daher erscheinen, dass ich statt einer Gesamtausgabe nicht einfach einen "Best-Of"-Band präsentiere. Das erschien mir bevormundend, und ich will auch nichts verbergen. Neben den Stärken einer Persönlichkeit stehen immer auch die Schwächen, und ohne sie sind jene wohl nie zu haben.

Methode: GoogleBooks- bzw. archive.org-Korrekturlesung u.ä. Von bereits bestehenden Digitalisierungen wurde kein Gebrauch gemacht (abgesehen von acht Gedichten aus dem Nachlass und einem Prosatext, der eigentlich nicht in die Sammlung gehört, aber der einzige von Geibel ist und dabei so poetisch, dass er doch wieder hinein musste). Eine Inhaltsübersicht leitet zu den einzelnen Bänden, deren Titelseiten (wie auch deren Text-Layout) in dieser digitalen Edition nachgebildet sind; jeder Band hat zu Anfang ein vollständiges Inhaltsverzeichnis, und über "Inhalt" gelangt man zur Übersicht. Im "toc.ncx" ist der gesamte Inhalt erreichbar.

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