Gabriele Reuter (8. Februar 1859 in Alexandria – 16. November 1941 in Weimar) war eine deutsche Schriftstellerin.
Die zu Lebzeiten vielgelesene Autorin wurde bekannt durch ihren Roman "Aus guter Familie" (1895), der die "Leidensgeschichte eines Mädchens" (Untertitel), einer typischen "höheren Tochter" der Wilhelminischen Ära schilderte. Er verkaufte sich bis 1931 in 28 Auflagen. Weitere Bestseller waren etwa ihr Roman "Ellen von der Weiden" (1900), die Novellensammlung "Frauenseelen" (1901) oder der Roman "Der Amerikaner" (1907). Heute ist Gabriele Reuter nahezu vergessen. (aus Wikipedia)
Näheres zur Autorin, siehe:
Wikipedia
Ins neue Land. Ullstein Verlag, Berlin, 1916.
Quote:
Die Schwester stand mit dem Arzt auf dem kleinen Flur vor dem Parterresaal der Verwundetenbaracke.
»Wie geht's unserm Finsteren?« fragte der junge Doktor im weißen Operationsmantel, mit der unpersönlichen Heiterkeit, die Ärzten und Pflegerinnen im Verkehr untereinander und mit den Patienten zur Gewohnheit geworden ist.
»Wieder etwas Temperatur, der geistige Zustand derselbe, schwere Depression. Antwortet kaum auf eine teilnehmende Frage. Reden Sie doch mal mit ihm, Herr Doktor...«
»Ja, das will ich, Schwester... Sonderbar, gerade den Gebildeten unter den Verwundeten geht es oft so besonders hart an, sich mit ihrem Schicksal abzufinden. Man sollte meinen...«
»Sie haben eben die größere Denkfähigkeit, um sich alle Schwierigkeiten der gehemmten Zukunft deutlich vorzustellen,« antwortete die Schwester. »Haben Sie mal auf die ausgearbeitete Stirn unseres Finsteren geachtet?«
»Was Ihnen noch alles auffällt bei Ihrer Arbeitslast, Schwester... Na, werde mir unsern Mann mal vornehmen.«
Der junge Arzt öffnete die Glastür. Aus langen Reihen weißer Eisenbetten grüßten ihn die Augen von bärtigen und unbärtigen, jungen und alten Männerköpfen. Feine wie stumpfe, törichte wie kluge Gesichter wendeten sich ihm erwartungsvoll zu. Sie alle, diese Krieger, welche ihr Leben rücksichtslos dem Tode entgegengeworfen hatten, waren nun in qualvollen Tagen und schlaflosen Nächten so mürbe geworden, daß sie von einem blonden fröhlich blickenden jungen Manne im weißen Kittel sehnsüchtig irgendeine Linderung ihrer Leiden, irgendeinen Trost für unerträgliche Pein des Körpers oder der Seele erwarteten.
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