Langsam neigte sie sich ihm zu, so nah, daß die goldigen Löckchen dicht vor seinen Augen zitterten. Wie eine schwarze, unheimliche Fluth wogte die Sammetschleppe, in tiefem Schatten liegend, vor seinen Füßen, und die dunkelen Augen trafen in langem Blick die seinen, fascinirend, voll düsterer Gluth.
Hazard, Band 2, Kapitel 4.
Wer könnte wohl heute einer "Sammetschleppe" eine dermaßen erotische Wirkung abgewinnen? -
"Sie", das ist übrigens die intrigante Fürstin Tautenstein, und "er" ist der idealistische Pfarrer Collander. -
Dämonisch? Pikant? - Nun ja! Das kann ja nicht gut enden ... -
Und beide sind nicht einmal Hauptfiguren ...
Dass
"Hazard" ein
vergleichweise bemerkenswertes Werk der Eschstruth sei, wie man in
wikipedia lesen kann, ist schon irgendwie richtig; dieses höchst relative Urteil bedeutet allerdings unter Einbeziehung aller Erfordernisse des Genres, nämlich "Adelsroman", genauer: "Hofroman", im wihelminischen Zeitalter, u.a.: Absehen von gemeinhin nachvollziehbarer Psychologie, äußerste Großzügigkeit in allen Stilfragen, ein Plot, dessen Motivationen im Einzelnen stets aus der Befriedigung heimlicher Leserinnenwünsche gespeist sind u.a.dgl.m.
Die Unterhaltsamkeit eines Romans wie dieses resultiert heute vorwiegend aus Gegebenheiten, wie sie in einem
früheren Upload charakterisiert wurden - zur Restauration aristokratischer Bedeutsamkeit kommen jedoch hier noch Momente, wie sie für das zweite Kaiserreich der 80er Jahre des 19. Jh. bezeichnend sind: die Rolle der Fürsten als quasi sakrosankte Landesherren, der junge deutsche Kolonialismus sowie die Marine-Propaganda, die mit letzterem einherging. Die Erziehung eines aristokratischen Nichtsnutz zum verantwortlichen Menschen - der Zielpunkt des Romans - erweist sich freilich angesichts der historischen Wirklichkeit als rein ideologisch bedingte Apologie: der "tolle Junker" konnte in der Regel nur durch eine Geldheirat
gebändigt, aber kaum
moralisch gehoben werden.
Dieses "beste" Werk der Eschstruth entlarvt also auf besonders kuriose Weise die Erklärungsnot adligen Existierens in dieser Zeit. Gerade hierin liegt seine spezifische Unterhaltsamkeit. Abgesehen davon ist der Roman, der übrigens mit Kritik an den Schattenseiten des Hoflebens nicht einmal spart, keineswegs ohne Witz, und nicht nur amüsante Situationen oder Nebenfiguren (Hovenklingen / Esperance de Gironvale /Augustchen Spilleke / die Damen des Stifts &c.), auch das geschickte Arrangement der Handlungsfäden bereiten reueloses Lesevergnügen…
… und das war mir Grund genug, diesen Text aus Google-Plaintext per PDF-Scan-Gegenlesen als eBook herauszubringen … übrigens ein hübsches Stück Arbeit, weil die Plain-text-Quali hier ausgesprochen miserabel war. Zudem fehlte im PDF-Scan noch eine Seite, zu deren Rekonstruktion auf eine Druckausgabe zurückgegriffen werden musste. -
Das eBook kommt mit Original-Buchdeckel sowie z.T. Original-Vignetten. - Evidente Fehler wurden stillschweigend berichtigt, inkonsistente Schreibweisen (wie "Comtesschen" - "Komteßchen") dagegen beibehalten. Im Übrigen folgt die Textdarbietung in Orthographie und Interpunktion der Erstausgabe.
Viel Spaß beim Schmökern.
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